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22. August 2017, von Michael Schöfer
Binden Sie den Bären einem anderen auf


Das, was uns Regierungssprecher Steffen Seibert aufgetischt hat, wird er wohl kaum selbst glauben: Dass drei hochrangige Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes, darunter Angela Merkels Medienberaterin und der stellvertretende Büroleiter von Kanzleramtsminister Peter Altmaier, in der CDU-Zentrale einen Mini-Job auf 450 Euro-Basis angenommen haben, um der CDU im Wahlkampf unter die Arme zu greifen. Die Nebentätigkeiten seien genehmigt beziehungsweise angezeigt worden, versicherte er treuherzig. Alles sei ordnungsgemäß abgelaufen.

Das normale Gehalt der drei Mitarbeiter dürfte wohl völlig ausreichen, es ist daher kaum anzunehmen, dass sie nebenher noch etwas dazuverdienen müssen. Und wer hat die Nebenjobs genehmigt? Hat etwa das CDU-Bundesvorstandsmitglied Peter Altmaier in seiner Eigenschaft als Kanzleramtsminister den CDU-Mitgliedern großzügigerweise erlaubt, in der CDU-Parteizentrale ein bisschen mitzuarbeiten? Vermutlich. Aber wahrscheinlich mit einem Augenzwinkern, denn schließlich hat sich die CDU die Erlaubnis selbst erteilt. Verzeihung, Herr Seibert, in der Pfalz sagt man in solchen Fällen: "Wir ziehen die Hose doch nicht mit der Beißzange an." Will heißen: Binden Sie den Bären einem anderen auf.

Ob das allerdings ein Riesenskandal ist, wie uns wiederum die SPD weismachen will, wage ich zu bezweifeln. Erstens wäre zu erforschen, ob SPD-Regierungen das anders praktiziert haben. Motto: Den Splitter im fremden Auge sehen, aber nicht den Balken im eigenen Auge. Und zweitens ist es naheliegend, wenn sich die geeignetsten Parteimitglieder um den Wahlkampf kümmern, und keine von der zweiten oder dritten Garnitur.

Was mich bloß wundert, ich habe ja ziemlich lange Parteiarbeit gemacht: Zumindest wir an der Basis haben nie einen Cent fürs Plakatekleben oder für die Bestückung der Infostände bekommen. Ebenso wenig für die lästigen Hausbesuche oder für das noch viel lästigere Verteilen von Wahlkampfzeitungen an Sonntagvormittagen (in einem Wohngebiet, in dem sich die Briefkästen meist hinter der Haustür befinden, an die man folglich nur durch das Betätigen der Klingel herankam). Das haben wir alles aus reinem Idealismus gemacht, aus Überzeugung von der Sache. Warum zum Teufel machen die von der CDU das nicht umsonst? Dann hätte es auch keine Diskussion gegeben, denn in ihrer Freizeit können sogar Mitarbeiter des Kanzleramtes tun und lassen, was sie wollen.