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01. August 2017, von Michael Schöfer
Sankt-Florian-Prinzip


Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius macht es sich ein bisschen zu einfach. Von der Süddeutschen wurde er gefragt: "Herr Pistorius, der Attentäter von Hamburg lebte seit 2015 in Deutschland. Nur weil er keinen Pass hatte, wurde er nicht abgeschoben. Akzeptabel für Sie?

Antwort Boris Pistorius: "Natürlich nicht. Man hätte ihn längst aus Deutschland fortschicken können, übrigens auch ohne Pass. Der Mann kam über verschiedene europäische Länder zu uns, und nach den Dublin-Regeln der EU hätte man ihn nach Norwegen überstellen können, wo er erstmals einen Asylantrag gestellt hat. Dafür ist der Bund zuständig, konkret das Ministerium von Thomas de Maizière. Aber das unterblieb." Pistorius ist sich nicht zu schade, Politik nach dem Sankt-Florian-Prinzip zu fordern: "Heiliger Sankt Florian, verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an!" Das Problem hätten ja dann die Norweger gehabt. Und die hätten bestimmt "tusen takk!" gesagt - das ist Norwegisch und heißt "vielen Dank!".

In der Flüchtlingspolitik ist Unehrlichkeit weit verbreitet. Pistorius befürwortet beispielsweise Auffanglager in Libyen, die von den Europäern oder der UN betrieben werden sollten. Das wird angesichts der Zustände in Libyen kaum gehen. Jedenfalls nicht auf rechtsstaatliche Art und Weise. Das sicherlich sinnvolle Einwanderungsgesetz ist ebenfalls keine Lösung. Zwar könnten wir uns dann nach dem Vorbild der klassischen Einwanderungsländer die Migranten aussuchen, die wir haben wollen, aber das wird die Flüchtlingsströme bloß umlenken. Doch diejenigen, die auf diesem Weg nicht genommen werden, kommen trotzdem, nur eben wie gehabt auf illegalen Wegen. Unabhängig davon: Flüchtlinge, die zu Recht Asyl begehren, gibt es derzeit mehr als genug.

Afrikaner flüchten nach Europa, weil sie sich hier ein besseres Leben versprechen. Angesichts der miserablen Lebensverhältnisse in Afrika ist das wenig verwunderlich. Die Flüchtlingsströme verebben nur, wenn die Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive haben. Das wird schon allein angesichts des stark steigenden Bevölkerungswachstums ziemlich schwer. Von den korrupten Despoten ganz zu schweigen. Die Flüchtlingsproblematik wird uns daher noch lange Zeit beschäftigen. Und die vermeintlich einfachen Lösungen sind nichts als Augenwischerei. Boris Pistorius ist intelligent genug, das zu erkennen. Aber er ist zu feige, es zuzugeben. Ob es überdies klug ist, den Rechtspopulisten mit populistischen Sprüchen das Wasser abgraben zu wollen, wage ich zu bezweifeln.