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30. Juli 2017, von Michael Schöfer
Die Käufer wollten sich auch betrügen lassen


Böse, böse Autoindustrie! Natürlich haben die Autobauer betrogen, die Behörden, die Käufer und die Bevölkerung über die wahren Abgaswerte bewusst im Unklaren gelassen. Und zweifellos gehören die Verantwortlichen dafür bestraft. Allerdings tragen auch wir ein Stück Verantwortung für das, was geschehen ist. Die Spatzen haben es doch schon seit Jahren von den Dächern gepfiffen, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte höher sind, als es die Hochglanzbroschüren der Hersteller versprachen. Und jedem Vernünftigen muss klar gewesen sein, dass die Art von Autos, die wir kaufen, kaum umweltfreundlich betrieben werden kann. Versprechungen der Autoindustrie hin oder her. Grundkenntnisse der Physik hätten ausgereicht, um den ach so beliebten SUV die rote Karte zu zeigen. Geschosse mit einem Leergewicht von rund zwei Tonnen mögen als Persönlichkeitsersatz taugen, als Fortbewegungsmittel hätten sie bei der Kaufentscheidung eigentlich von vornherein ausscheiden müssen. Leichte Autos mit einer begrenzten Höchstgeschwindigkeit wären viel effizienter gewesen - und eine gangbare Brücke zur Elektromobilität. Soll doch keiner glauben, die Zwei-Tonnen-SUV hätten eine elektrische Zukunft.

Stimmt, die Autoindustrie hat betrogen, aber die Käufer wollten sich auch betrügen lassen. Erst jetzt, nachdem die Gerichte endlich ein nicht mehr zu ignorierendes Stoppzeichen setzen, ist gehörig Druck im Kessel. Vorher waren den Besitzern der Dreckschleudern, die tagtäglich am Stuttgarter Neckartor vorbeifuhren, die Stickoxid-Emissionen nämlich schnurzpiepegal. Künftig müssen sie befürchten, erst gar nicht mehr in Stuttgart hineinfahren zu dürfen. Nun ist die Aufregung verständlicherweise groß. Aber mal ehrlich, doch erst, als sie selbst betroffen waren. Hätten sich die Käufer schon beizeiten dem Autowahn (schneller, größer, schwerer) verschlossen, gäbe es längst vernünftige Mobilitätskonzepte. Solange sich Dreckschleudern für viel Geld verkaufen lassen, ändert sich wenig. Höchstens durch Gerichtsurteile wie dem von Stuttgart. Nicht, weil die Dreckschleudern den Käufern nicht mehr gefallen würden, sondern lediglich, weil sie damit in Zukunft nicht mehr überall hin fahren dürfen. Umdenken ist demzufolge nicht bloß in den Vorstandsetagen der Autobauer angesagt.