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28. Juli 2017, von Michael Schöfer
Tohuwabohu


Ach, wie war die Welt doch noch vor ein paar Jahrzehnten übersichtlich: Hier die Guten, allen voran der US-Präsident als Anführer der freien Welt, dort die Schlechten, dominiert durch - mitunter gebrechliche - Autokraten im Kreml, dem Machtzentrum der Sowjetunion. Extrem einfach zu begreifen: Die Guten kämpften gegen die Schlechten. Das hörte plötzlich auf, und die Schuld daran trägt ganz allein ein gewisser Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Vielleicht auch Ronald Reagan: "Mr. Gorbachev, tear down this wall!" Hat irgendjemand geahnt, dass Gorbi tatsächlich gehorcht? Natürlich nicht.

Danach ist jedenfalls in der Pennsylvania Avenue 1600, das ist die Postanschrift des Weißen Hauses (wobei heutzutage keiner mehr Briefe schreibt), etwas gründlich durcheinander geraten. Seit dort mit Donald Trump ein, nun ja, recht eigenwilliger Präsident das Sagen hat, scheinen die Amis nicht mehr zu wissen, wo Freund und Feind stehen. Trump demontiert in aller Öffentlichkeit seinen Justizminister, ohne ihn allerdings zu entlassen (was er jederzeit tun könnte). Sein Pressesprecher geht nach einem halben Jahr Amtszeit, weil Anthony Scaramucci Kommunikationsdirektor wird. Letzterer wiederum ist bereits nach einer Woche unten durch.

Scaramucci ruft nachts einen Reporter des renommierten "New Yorker" an und will die Namen der Informanten wissen, die Interna aus dem Weißen Haus durchstechen. Quellenschutz? Hat der Kommunikationsdirektor offenbar noch nie gehört! Am liebsten würde er die Informanten töten, teilt er unverblümt mit ("fucking kill the leakers"). Trumps Stabschef Reince Priebus beschimpft er als "paranoiden Schizophrenen" und "Schwanzblocker", im Gegensatz zum Chef-Strategen Steve Bannon würde Scaramucci nicht versuchen, sich selbst oral zu befriedigen ("I am not trying to suck my own cock"). Außerdem werde er alle seine Feinde ins Gefängnis stecken lassen. Zumindest stimmt das Sprichwort: Wie der Herr, so’s Gescherr. In puncto kultiviertem Verhalten steht er nämlich Trump in nichts nach.

Was ist da bloß los in Washington? Solche Entgleisungen sind ja noch nicht einmal von CSU-Generalsekretären überliefert. Und das will was heißen. Die zerfleischen sich genüsslich selbst, während Wladimir Putin das Ganze amüsiert vom Spielfeldrand aus beobachtet. Das Bild, das die älteste Demokratie der Welt abgibt, ist verheerend. Beginnt so der Niedergang einer Kultur?