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14. Juli 2017, von Michael Schöfer
Es muss richtig weh tun


Systemrelevante Unternehmen (too big to fail) sind wie kleine Kinder - man muss ihnen die Grenzen aufzeigen, sonst lernen sie es nie. Damit später aus kleinen Tyrannen keine großen werden. Nachdem die Steuerzahler vor zehn Jahren die Banken gerettet haben, wollte man die Branche schärfer regulieren. Motto: Kein Finanzplatz, kein Finanzprodukt und kein Finanzakteur sollte unbeaufsichtigt bleiben. Man wollte verhindern, dass bei Insolvenzen abermals die Steuerzahler in die Pflicht genommen werden. Das hat nicht geklappt. Die Regulierung ist nicht nur ins Stocken geraten, sie wird sogar peu à peu gelockert. Banken drehen inzwischen ihren arglosen Kunden schon wieder Risikopapiere an, bei denen ihnen der Totalverlust droht. Wie ehedem die wertlosen Zertifikate der untergegangenen Investmentbank Lehman Brothers. Und die italienische Regierung hat gerade für schlappe 17 Mrd. Euro zwei italienische Banken vor der Insolvenz gerettet.

Ähnliches passiert zur Zeit in der Autoindustrie: Da werden jahrelang trickreich viel zu hohe Abgaswerte verschleiert, aber keiner greift richtig durch. Ausnahme: die US-Justiz. Die Autoindustrie ist nun mal eine der wichtigsten Branchen Deutschlands. Die Gelackmeierten sind jedoch die betrogenen Kunden. Die Autobauer wollen den angerichteten Schaden noch nicht einmal auf eigene Rechnung beseitigen, möglicherweise bleiben deshalb die Autokäufer zumindest teilweise auf den horrenden Kosten der notwendigen Umrüstung sitzen. Ja wo leben wir denn? Ist das Verursacherprinzip obsolet?

Es muss den Uneinsichtigen richtig weh tun, sonst ändert sich überhaupt nichts. Man muss Banken pleitegehen lassen, das Risiko haben die Anteilseigner zu tragen. Nur dann verbieten sie ihren Managern riskante Geschäftspraktiken. Wegen den zu hohen Abgaswerten muss man Typenzulassungen entziehen, d.h. Fahrzeuge stilllegen sowie in den belasteten Städten Fahrverbote aussprechen. Und die Gerichte müssen den Autokäufern Schadenersatz zugestehen. Ich weiß, das tut furchtbar weh, ist aber unumgänglich, denn nur so lernt die Autoindustrie, künftig Grenzwerte auch tatsächlich einzuhalten. Können sich die Unternehmen mithilfe der Politik irgendwie durchmogeln, werden sie immer wieder auf schmutzige Tricks zurückgreifen. Nein, nur wenn sie sich ordentlich die Finger verbrennen, scheuen sie in Zukunft das Feuer. Wie bei Kindern, denen man sagt, sie sollen die Finger von der heißen Herdplatte lassen. In der Regel ignorieren sie diese Warnung nur ein einziges Mal.