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05. März 2017, von Michael Schöfer
Warum ist die Bundesregierung so ängstlich?


Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu droht: "Keiner von euch kann uns daran hindern. Wir können überall hingehen, wo wir wollen, unsere Bürger treffen, unsere Treffen abhalten." Mit "euch" meint er wohl die Europäer im Allgemeinen und die Bundesrepublik im Besonderen. Ich glaube kaum, dass er das wirklich ernst meint, denn mit so einer Arroganz wäre man im diplomatischen Geschäft völlig fehl am Platze. Falls doch, wäre es ein Anzeichen für fortschreitenden Realitätsverlust. Auch Präsident Erdogan droht: "Sie lassen unseren Justizminister nicht zu Wort kommen. Sie lassen unseren Wirtschaftsminister nicht zu Wort kommen." Die Verantwortlichen müssten wegen "Beihilfe zum Terror vor Gericht kommen. Das liegt so offen auf der Hand." Dem Bürgermeister von Gaggenau ist vorerst von einer Türkei-Reise abzuraten, er könnte sich mit Deniz Yücel in einer Gefängniszelle wiederfinden. Vorwurf: Terrorverdacht! So weit ist es gekommen.

Die eigentliche Frage ist jedoch, warum die Bundesregierung so ängstlich auf diese Provokationen reagiert und es bislang den Kommunen überlässt, türkische Wahlkampfveranstaltungen zu verhindern. Merkel duckt sich weg, Gabriel praktiziert Appeasement. Der Vorschlag des österreichischen Bundeskanzlers Christian Kern, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker EU-weit zu verbieten, ist m.E. vernünftig.

Erdogan steuert sein Land konsequent in den Abgrund. Die Inflation beträgt dort momentan 10,13 Prozent - Folge des Verfalls der türkischen Lira. Im dritten Quartal 2016 ist die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,8 Prozent gesunken, die Investitionen stagnieren, die Ausgaben der Haushalte schrumpfen, im Außenhandel ist der Export von Waren und Dienstleistungen um 9,2 Prozent zurückgegangen, im Gegensatz dazu stiegen die Importe um 2,4 Prozent. Ich fürchte, die Türken werden bald merken, dass nationaler Überschwang nicht satt macht. Aber wir wissen auch aus eigener leidvoller Erfahrung, dass ein aufgehetztes Volk vieles erduldet, solange man ihm weismacht, andere wären an der selbstverursachten Misere schuld.