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04. März 2017, von Michael Schöfer
Ausländische Wahlkämpfe in Deutschland? Nein, danke!


Das Argument der türkischen Politiker lautet doch überspitzt formuliert wie folgt: "Wir nehmen uns die Freiheit, Journalisten und Oppositionelle einzusperren, also habt ihr Deutschen uns auch die Freiheit zu gewähren, in Deutschland Wahlkampf zu machen." Dabei existiert überhaupt kein Recht, ausländische Wahlkämpfe nach Deutschland zu importieren. Das wäre auch wenig wünschenswert. Unser Grundgesetz sagt unmissverständlich: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln." (Artikel 8 Abs. 1)

Außerdem könnten ja nicht bloß die Türken auf die Idee kommen, ihre Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik auszutragen. Am 31.12.2015 lebten hierzulande 230.994 russische Staatsangehörige. Laut russischem Wahlgesetz sind alle russischen Staatsangehörigen, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, wahlberechtigt. Dies gilt auch für im Ausland lebende Russen. Nun hätte nach der Logik der türkischen Regierung der russische Präsident Wladimir Putin ebenfalls das Recht, in Deutschland Wahlkampfveranstaltungen abzuhalten. Und dürfte uns, falls wir nicht spuren, wie der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Konsequenzen androhen. Wo kämen wir denn da hin? Bekanntlich nimmt sich auch Putin die Freiheit, Journalisten und Oppositionelle einzusperren.

Übrigens sind im Ausland lebende Deutsche gemäß § 17 und § 18 Bundeswahlordnung (BWO) bei Bundestagswahlen wahlberechtigt, sofern sie sich zuvor ins Wählerverzeichnis haben eintragen lassen. Auslandsdeutsche werden zwar nicht statistisch erfasst, es sollen aber mehrere Millionen Deutsche im Ausland leben, allein in Europa 1,14 Mio. (Stand 2010), die meisten davon in der Schweiz und in Spanien. Von Wahlkampfauftritten deutscher Politiker im Ausland ist aber bis dato nichts bekannt. In der Türkei leben derzeit 50.000 potenziell wahlberechtigte Deutsche. Eine Wahlkampfveranstaltung in Istanbul mit dem Grünen Cem Özdemir (Erdogan: "Sein Blut sollte einem Labortest unterzogen werden") wäre gewiss der Renner. Könnte allerdings für Özdemir aus naheliegenden Gründen lebensbedrohend sein.