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20. Februar 2017, von Michael Schöfer
Wollen wir ein bisschen über Adorno diskutieren?


Wann hat eigentlich die ganze Schei.. begonnen, werden künftige Generationen fragen. Historiker klären dann die Menschen darüber auf, dass es noch in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts attraktiv war, intellektuell zu sein. Es soll damals, so werden sie dem staunenden Publikum erläutern, sogar Menschen gegeben haben, die sich mit Existentialismus, Marxismus-Leninismus oder anderem kopflastigen Zeug herumschlugen. Freiwillig, wohlgemerkt. Und in den Kinofilmen brillierten die Hauptdarsteller mit geistreichen Bemerkungen. Nicht immer, aber immer öfter.
Doch irgendwann, wahrscheinlich in zeitlichem Zusammenhang mit der Einführung des Privatfernsehens, wurden plötzlich Menschen attraktiv, die entsetzlich dumm waren. Oder zumindest schlau genug, um sich entsetzlich dumm zu stellen. Wie etwa eine gewisse Verona Feldbusch, die mit ihren Grammatikfehlern ("Da werden Sie geholfen!") vermutlich viel Geld verdiente.

Zur Katastrophe kam es, als die Wählerinnen und Wähler einen Mann ins Weiße Haus hievten, dessen grammatikalische Fehler noch das geringste Problem gewesen wären. Aber die Historiker der Zukunft werden auch nie vergessen zu erwähnen, dass die Menschheit nach dem leider erforderlichen Wiederaufbau wesentlich klüger geworden ist: "Ohne Grips hat man heutzutage bei den Damen keine Chance mehr. Geheimtipp: Tragen Sie eine Brille mit Fensterglas, um wenigstens ein bisschen intellektuell zu erscheinen." Äußeres Zeichen in den Innenstädten: Dort, wo früher die Muckibuden waren, nisteten sich nach deren Insolvenz häufig Buchhandlungen ein. Literaturlesungen sind seitdem meist ausgebucht. Und Jugendliche bahnen nun ihre Dates mit den Worten an: "Wollen wir ein bisschen über Adorno diskutieren?" Im Kulturfernsehen wiederum…

HEY, AUFWACHEN, SIE SIND WOHL EINGESCHLAFEN ODER WAT? HAB'N SIE ETWA GETRÄUMT? HIER IST ENDSTATION, ALLES AUSSTEIGEN!