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13. Januar 2017, von Michael Schöfer
Kein Mordmerkmal?


Manchmal sind die Wege der Justiz unergründlich. Da wird 1993 ein Mann aus einer Stadt entführt, in einen rund 70 km entfernten Wald verfrachtet, schwer misshandelt und dann durch einen Schuss ins Gesicht getötet. Anschließend wird das Auto des Opfers angezündet. Also genau so, wie man sich Mafia-Morde vorstellt. 23 Jahre danach gelingt es, mithilfe von DNA-Spuren einen Täter zu identifizieren und festzunehmen. So weit, so gut. Doch nun lässt das Gericht den Täter überraschend frei. Begründung: "Die Kammer hat keine ausreichenden Grundlagen erkannt, um das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nachzuweisen." [1] Unglaublich! Es sei damals nur ein Totschlag gewesen, der aber zwischenzeitlich verjährt ist. Totschlag (§ 212 StGB) verjährt tatsächlich nach 20 Jahren, Mord (§ 211 StGB) dagegen verjährt nie. Doch wie man in dieser Vorgehensweise bloß einen Totschlag erkennen will, ist für juristische Laien schwer nachzuvollziehen. Und für viele Juristen bestimmt auch. Ehrlich gesagt, da sträuben sich einem die Nackenhaare. Man glaubt fast, das laute Lachen von Vito Corleone aus dem Schlund der Hölle zu vernehmen.

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[1] Mannheimer Morgen vom 13.01.2017