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19. Oktober 2016, von Michael Schöfer
Mr. Dylan, how does it feel?


Bob Dylan ist wirklich eine tragische Figur: Erst kämpft er mit seinen Songs gegen das Establishment - und nun bekommt er sogar den Literaturnobelpreis. Mittlerweile ist er bereits mit zwei Ehrendoktortiteln, dem Pulitzer-Sonderpreis, der National Medal of Arts, der Presidential Medal of Freedom und dem französischen Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet worden. Stinkreich ist er obendrein. Mehr Establishment geht wirklich nicht. Kein Wunder, dass er nicht ans Telefon geht und die Schwedische Akademie ihn bislang vergeblich zu erreichen versuchte. Wahrscheinlich hat er sich vor Scham ("was ist bloß aus mir geworden?") in einem dunklen Loch verkrochen. Vielleicht streicht ihm dort sogar Joan Baez tröstend übers ergraute Haar. "Where Are You Now, My Son?", lautete eines ihrer Alben (1973). Offenbar in weiser Voraussicht. Und womöglich summt der frischgebackene Literaturnobelpreisträger dabei wehmütig die Melodie von "The Times They Are a-Changin’" oder dem sarkastischen "Like a Rolling Stone". Mr. Dylan, how does it feel? Ach, das wirkliche Leben schreibt manchmal die rührseligsten Stories. Fast schon wieder selbst nobelpreiswürdig.