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04. Oktober 2016, von Michael Schöfer
Das hält die Demokratie aus


Ja, Pegida hat sich mal wieder danebenbenommen. Mal ehrlich, haben wir etwas anderes erwartet? Ja, die Pöbler sind lästig und verhalten sich unanständig. Ja, vielen geht es wahrscheinlich bloß darum, ihren Unmut zu äußern. Und ja, einige dürften inzwischen für den Austausch von rationalen Argumenten gar nicht mehr zugänglich sein. Doch nein, das sollte nicht unterbunden werden. Berufsjubler gab es früher in der DDR, in einer Demokratie hingegen ist Widerspruch ausdrücklich erlaubt. Kein Politiker hat Anspruch darauf, von lautstark geäußerter Kritik verschont zu werden. Auch das macht den Unterschied zwischen Angela Merkel und Erich Honecker aus.

Wir erinnern uns: In der DDR wurden Protestierer niedergeknüppelt und verhaftet, während ganze Betriebe zum Fähnchenschwingen abkommandiert wurden, solche Verhältnisse will ich hierzulande nicht mehr haben. Eine stabile Demokratie hält das aus und kann damit auch gelassen umgehen. Keinen Anstand zu haben ist zum Glück nicht strafbar. Es ist auch nicht strafbar, für rationale Argumente unzugänglich zu sein. Selbst der, der nur mit Trillerpfeifen seinen Unmut äußert, steht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit.

"Auch scharfe und überzogene Kritik entzieht eine Äußerung nicht dem Schutz des Grundrechts. Werturteile sind vielmehr durchweg von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, ohne daß es darauf ankäme, ob die Äußerung 'wertvoll' oder 'wertlos', 'richtig' oder 'falsch', emotional oder rational ist", sagt das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 25. August 1994, 2 BvR 1423/92). Vollkommen zu Recht, wie ich meine.