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21. Januar 2018, von Michael Schöfer
Unfreiwillige Komik


"Russische 'Trollfabrik' fleißiger als gedacht", meldet tagesschau.de und bezieht sich damit auf die Nutzung von Twitter während der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs in den USA. "In der untersuchten zehnwöchigen Zeitspanne vor der Wahl im November 2016 identifizierte Twitter (...) nach eigenen Angaben nun insgesamt 3814 Nutzerkonten mit Verbindungen zur 'Internet Research Agency'. Auf diesen Konten seien knapp 176.000 Tweets gepostet worden, davon hätten sich rund 8,4 Prozent auf die US-Wahl bezogen. Zugleich seien zusätzlich rund 13.500 automatisierte Konten - sogenannte Bots - mit Verbindungen zu Russland entdeckt worden, von denen in diesem Zeitraum Tweets mit Bezug zur US-Wahl abgesetzt worden seien." [1] Nach Angaben von Twitter sind in den USA während des US-Wahlkampfes knapp 670.000 Menschen diesen Accounts gefolgt.

Unterstellt, die Meldung gibt die Zahlen korrekt wieder, muss man den Einfluss der russischen Trolle, der auf den ersten Blick ziemlich beeindruckend erscheint, stark relativieren. Es wurden also 3.814 Troll-Accounts registriert, aber bei Twitter existieren insgesamt 1,3 Mrd. Accounts. [2] Die Troll-Accounts machen somit ganze 0,0003 Prozent aus. Auf Twitter werden jeden Tag 500 Mio. Tweets versendet, das sind 5.800 Tweets pro Sekunde. Wenn sich von den 176.000 Tweets auf den Accounts der russischen Trollfabrik überhaupt nur 8,4 Prozent auf die US-Wahl bezogen haben, sind das 14.800 Tweets. Das reicht, gemessen an der Gesamtzahl der täglich abgesetzten Tweets, nicht einmal für drei Sekunden. Wenn man außerdem berücksichtigt, dass sich besagte 14.800 Tweets auf einen Zeitraum von zehn Wochen verteilen, sind das im Durchschnitt läppische 211 Tweets pro Tag.

Selbst wenn alle 670.000 Follower dem Inhalt dieser Troll-Accounts inhaltlich zugestimmt hätten, was sich kaum seriös feststellen lässt, gehen diese angesichts von 136,7 Mio. Wählern, die am 8. November 2016 an der Präsidentschaftswahl teilgenommen haben, völlig unter. Donald Trump kam auf Twitter laut trackalytics.com im Oktober 2016 auf 12 Mio. Follower (heute sind es knapp 47 Mio.). [3] Und er hat dort bislang fast 37.000 Tweets abgesetzt, momentan sind es im Durchschnitt neun pro Tag. [4] Glaubt man dem Autor Michael Wolff ("Fire and Fury: Inside the Trump White House"), hat Trump die Präsidentschaftswahl ursprünglich gar nicht gewinnen wollen. Er sei von seinem Sieg sogar entsetzt gewesen.

Wenn Medien für Trump getrommelt haben, dann waren es die viel einflussreicheren Fox News und Breitbart News. Fox News hatte im Jahr 2016 täglich zwei Mio. Zuschauer und war damit der erfolgreichste US-Sender. [5] Und wer steht hinter Fox News? Der Milliardär und Medienmogul Rupert Murdoch. Breitbart News zählte im US-Wahlkampf zu den wichtigsten politischen Websites in den USA, im November 2016 erreichte sie knapp 23 Mio. Nutzer. [6] Und wer finanziert Breitbart News? Der Milliardär Robert Mercer. Im Vergleich dazu war der Einfluss der russischen Troll-Fabrik verschwindend gering. Da wird ein Popanz aufgebaut, den es so gar nicht gibt.

Es hat schon etwas von unfreiwilliger Komik, wie verbissen man den Wahlsieg von Donald Trump dem negativen Einfluss von Russland zuschreiben will. Zur Erinnerung: Hillary Clinton hat 2,87 Mio. Stimmen mehr bekommen als Donald Trump. Dem vulgären Prolet, der seit einem Jahr im Weißen Haus sitzt, haben nur die Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems (Mehrheitsentscheid für das Electoral College auf der Ebene der einzelnen Bundesstaaten) den Sieg beschert. Clinton sagte später in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS selbst, dass die E-Mail-Affäre an ihrer Niederlage schuld gewesen sei. [7] Dass elf Tage vor der Wahl der damalige FBI-Chef James Comey ankündigte, er werde die Ermittlungen in dieser Sache erneut aufnehmen, hat ihrer Wahlkampagne wohl tatsächlich das Genick gebrochen. Und diese Meldung erreichte über die Massenmedien bestimmt fast alle US-Bürger.

Kann es sein, dass man mit dem in absoluten Zahlen zu vernachlässigenden Einfluss der russischen Trolle von den wahren Ursachen des Wahlsiegs von Donald Trump ablenken will?

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[1] tagesschau.de vom 20.01.2018
[2] Brandwatch Blog vom 17.12.2017
[3] trackalytics.com, Total people that followed Donald J. Trump on Twitter
[4] twittercounter.com, Donald J. Trump Twitter Stats
[5] Wirtschaftswoche vom 19.10.2016 und Stern.de vom 28.02.2017
[6] Süddeutsche vom 22.08.2017
[7] Süddeutsche vom 10.09.2017