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23. Januar 2018, von Michael Schöfer
Rentnerverein SPD


Die SPD, sie möge es mir verzeihen, ist augenscheinlich ein Rentnerverein. Pressebilder oder Filmbeiträge von SPD-Veranstaltungen zeigen vor allem eines: überwiegend alte Menschen. Natürlich gibt es auch junge, doch die sind deutlich in der Minderheit.

Die harten Fakten geben dem ersten Eindruck recht: Ende 2016 waren 24 Prozent der SPD-Mitglieder 61 bis 70 Jahre, 20 Prozent 71 bis 80 Jahre und immerhin 10 Prozent über 80 Jahre alt. Das sind zusammen 54 Prozent. Lediglich 8 Prozent der SPD-Mitglieder waren unter 31. [1] Nun hat der Schulz-Effekt zu Beginn des vergangenen Jahres zu etlichen Neueintritten geführt. 2017 traten 31.094 Menschen in die SPD ein, davon waren 13.980 (überproportionale 45 %) zwischen 18 und 34 Jahre alt. [2] Zumindest im Wahljahr bekam die überalterte Partei das, was ihr dringend fehlt: frisches Blut (= junge Menschen).

Doch wer hat sich auf dem Parteitag in Bonn für eine Neuauflage der Großen Koalition ausgesprochen? Im Wesentlichen die Älteren. Martin Schulz ist 62, selbst Andrea Nahles wird dieses Jahr schon 48. Und die haben sich dort auch durchgesetzt. 362 (56,4 %) der 642 Delegierten sagten Ja, 279 (43,6 %) stimmten mit Nein. Wer die Debatte verfolgt hat, dem ist bestimmt aufgefallen, dass sich insbesondere die jungen Parteimitglieder um den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert gegen Schwarz-Rot aussprachen.

Mit anderen Worten: Die SPD hat mit dieser Entscheidung ausgerechnet diejenigen frustriert, die sie am dringendsten braucht - den eigenen Nachwuchs, die Zukunft der Partei. Die Gegner der Großen Koalition haben nun dazu aufgerufen, noch rasch in die SPD einzutreten, um beim Mitgliederentscheid gegen Schwarz-Rot stimmen zu können. Angeblich, so berichten einzelne Landesverbände, gebe es nach dem Parteitag auch ein paar Neueintritte. Die Diskussion machte, unabhängig vom Ausgang der Abstimmung, durchaus einen lebendigen Eindruck. Das kann man von den Parteitagen der großen Parteien nicht immer behaupten.

Wie nachhaltig das ist, muss sich aber erst noch zeigen. Ob die dringend notwendige Verjüngung der SPD gelingt, ist nämlich mit einem großen Fragezeichen versehen, sofern am Ende auch die Mitglieder die GroKo absegnen sollten. Am Eindruck, dass die SPD ein Rentnerverein ist, wird sich dann wahrscheinlich nicht allzu viel ändern. Die GroKo, kommt sie tatsächlich zustande, wird junge Menschen kaum ermuntern, in die SPD einzutreten. Vielleicht werden viele wieder enttäuscht austreten, denn wer 2017 unter dem Eindruck dessen, was Martin Schulz damals geäußert hat, zur SPD gekommen ist, dürfte sich heute ziemlich veräppelt vorkommen. Die 180 Grad-Wende des Parteiestablishments wirkt vielmehr abschreckend. Zwar typisch Politik, aber nicht unbedingt das, was junge Menschen attraktiv finden.

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[1] Bundeszentrale für politische Bildung, Soziale Zusammensetzung der Parteimitgliederschaften
[2] Süddeutsche vom 22.01.2018