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07. Februar 2018, von Michael Schöfer
Ob das so gewollt ist?


Dass der Entwurf des Koalitionsvertrages befristete Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund einschränkt (Gesamtdauer 18 anstatt 24 Monate, nur noch eine anstatt drei Verlängerungen), ist zu begrüßen. Hier hat die Wirtschaft zum Nachteil der Beschäftigten allzu oft Schindluder getrieben.

Die gleichzeitige Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse mit Sachgrund hat aber für die betroffenen Beschäftigten womöglich unangenehme Folgen. Im Entwurf des Koalitionsvertrages steht hierzu: "Wir wollen nicht länger unendlich lange Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen hinnehmen. Eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben." [1]

Einerseits ist es natürlich wünschenswert, überlange Kettenbefristungen zu unterbinden und den Beschäftigten frühzeitig Planungssicherheit zu geben. Andererseits wird die Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) aber aller Voraussicht nach nicht zu weniger Befristungen führen, sondern bloß zu einer verstärkten Personalfluktuation. Im Öffentlichen Dienst beispielsweise, wo es viele befristete Arbeitsverträge gibt, liegt nämlich häufig ein familienbedingter Vertretungsgrund vor. Beschäftigte können dort bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs des jüngsten Kindes Sonderurlaub oder Teilzeit (mit späterem Rückkehrrecht auf Vollzeit) beantragen. Festgeschrieben etwa in § 11 Abs. 1 (Teilzeit) bzw. § 28 (Sonderurlaub) des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).

Wenn nun die Große Koalition eine Gesamtdauer der Befristung von mehr als fünf Jahren für unzulässig erklärt, müssen alle Vertretungskräfte, die diese Schwelle überschreiten, gehen. Zumindest sofern man ihnen keine unbefristete Stelle anbieten kann. Stattdessen wird eine neue Vertretungskraft eingestellt, die aber ebenfalls nur einen befristeten Arbeitsvertrag bekommt, denn der Vertretungsgrund, das familienbedingte Fehlen der Stammkraft, ist ja weiterhin gegeben. Und solange die Stammkraft Teilzeit arbeiten will oder Sonderurlaub beantragt, wird sich daran auch nichts ändern. Zur Rückkehr zwingen kann und soll sie niemand.

Faktisch wird dadurch die Anzahl der befristeten Arbeitsverhältnisse kaum abnehmen, es kommt lediglich zu einem Austausch von Personen. Mit dem gravierenden Nachteil für die bereits langjährig befristet Beschäftigten, dass sie sich unter Umständen einen neuen Arbeitgeber suchen müssen, denn durch die Einschränkung der Gesamtdauer der Kettenbefristungen entstehen schließlich keine Neustellen. Es kann bekanntlich nur das verteilt werden, was vorhanden ist. Gewerkschafter und Personalräte müssen ihnen dann erklären, dass sie sich dafür bei der SPD bedanken können.

Es wäre besser gewesen, bei der zuletzt verschärften Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu bleiben. Die sah nämlich vor, bei Kettenbefristungen mit zunehmender Dauer gründlicher zu prüfen, ob sie rechtsmissbräuchlich sind. Das kann, muss aber nicht sein. Falls kein Rechtsmissbrauch vorliegt, können befristet Beschäftigte derzeit wenigstens noch ihren Arbeitsplatz behalten. Das wird sich jedoch nach dem Wortlaut des Koalitionsvertrages ändern, weil es künftig allein nach der Gesamtdauer geht. Und die ist auf fünf Jahre begrenzt, danach ist Schluss. Ob die negative Konsequenz für die Betroffenen von den Parteien gewollt ist?

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[1] CDU, Koalitionsvertrag 2018 zwischen CDU, CSU und SPD, PDF-Datei mit 1,76 MB, Seite 52