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24. Juni 2018, von Michael Schöfer
Falscher Alarm


Anfang 2017 schlug das Manager Magazin Alarm: "Tausende Millionäre verlassen Deutschland", war dort zu lesen. Nach Angaben der südafrikanischen Beratungsgesellschaft New World Wealth hätten 2016 "rund 4000 Millionäre Deutschland den Rücken gekehrt". 2015 wären hingegen bloß "1000 Millionäre aus Deutschland ausgewandert". Diese Steigerung sei "ein alarmierendes Zeichen". [1] Ich habe das schon damals für Humbug gehalten: "Wenn ich mir um eines keine Sorgen mache, dann um die High Net Worth Individuals." [2]

Der Rat, sich nicht kirre machen zu lassen, war berechtigt: "Der Club der Dollar-Millionäre wächst und wächst. Allein in Deutschland verfügten im vergangenen Jahr 1.364.600 Menschen über ein anlagefähiges Vermögen von mehr als einer Million Dollar. Das waren gut 84.000 mehr als 2016", meldet nun die Wirtschaftswoche. "Deutschland zählt nach den USA und Japan zu den Ländern mit den meisten Dollar-Millionären." [3]

Wie wir aus diversen Leaks wissen (Paradise Papers, Panama Papers etc.), treibt die Vermögenden vor allem die Sorge, wie sie ihr Geld vor dem Fiskus retten können. Sie befassen sich daher häufig mit legaler Steuervermeidung oder illegaler Steuerhinterziehung. Doch die wenigsten leben in den Steueroasen, denn sie schätzen durchaus die Verhältnisse in den Industriestaaten, an deren Finanzierung sie sich aber nur höchst ungern beteiligen. Manche bezeichnen sie deshalb als die wahren Asozialen. Wenn hierzulande etwas erodiert, dann nicht die Zahl der Millionäre, sondern die Mittelschicht. Und das macht mir wesentlich mehr Sorgen.

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[1] Manager Magazin vom 27.02.2017
[3] Wirtschaftswoche vom 19.06.2018