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06. Juli 2018, von Michael Schöfer
Die CSU steht ohne Kleider da


Politik kann so verlogen sein. Da riskiert der CSU-Chef Horst Seehofer in den letzten Wochen mit seinem unsäglichen Krawall gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Existenz der Großen Koalition, beschädigt das Ansehen der beiden C-Parteien im Allgemeinen und das von ihm selbst im Besonderen, doch nun soll plötzlich alles paletti sein, obgleich er sich genau besehen nicht in einem einzigen Punkt durchgesetzt hat. Die Union hat sich im Koalitionsausschuss überraschend schnell mit der SPD geeinigt: "Keine Lager, keine Zurückweisungen, keine nationalen Alleingänge." Mit anderen Worten: Keine Transitzentren! Die Asylverfahren werden lediglich beschleunigt. "Innenminister Horst Seehofer zeigte sich äußerst zufrieden. Die Einigung sei 'von A bis Z so, wie man sich das als Minister wünscht'." [1] Wirklich? Das darf doch nicht wahr sein, ein völlig nutzloser Zwergenaufstand, der beinahe die eigene Regierung gekostet hätte? Was soll das? Bitte nicht missverstehen, ich habe nie die Position von Seehofer und der CSU geteilt, aber das vorliegende Ergebnis ist echt ein Witz.

"CSU schafft Asylwende", melden die Christsozialen unverdrossen auf ihrer Website. Der Kurswechsel ihres Parteivorsitzenden ist dort offenbar noch gar nicht angekommen. "Wir haben ein neues Grenzregime vereinbart. Unsere Position war immer, dass die Menschen, bei denen von vornherein klar ist, dass Deutschland für ihr Asylverfahren nicht zuständig ist, erst gar nicht einreisen sollen. Jemand, der in einem anderen EU-Land bereits registriert ist, werde zurückgewiesen. (…) Blume zollte Seehofer Respekt für seinen klaren Kurs in der Asylpolitik." [2] Klarer Kurs? Von wegen! Was wird wohl Markus Söder dazu sagen, der am 14. Oktober eine Landtagswahl zu bestehen hat? Wahrscheinlich wird er vor Wut in die Tischkante beißen (sich in der Öffentlichkeit aber bestimmt nichts anmerken lassen). Die CSU steht nun wie der Kaiser ohne Kleider völlig nackt da, die AfD wird es im Landtagswahlkampf gewiss auszuschlachten wissen. Ein Paradebeispiel dafür, wie man Politik nicht machen sollte, sofern man wenigstens ein bisschen glaubwürdig bleiben und Wahlen gewinnen will. Anstatt Ruhe zu bewahren, haben die bayerischen Provinzpolitiker bloß Hysterie verbreitet. Und jetzt haben sie den Salat. Wohl bekomms!

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[1] tagesschau.de vom 05.07.2018, 21:16 Uhr
[2] CSU, Generalsekretär Markus Blume im SZ-Interview