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| Impressum 18. Juli 2018, von Michael Schöfer Den eigenen Laden endlich auf Vordermann bringen Im Grunde wird in Europa seit Jahrzehnten über Rüstungskooperation gesprochen, allerdings lassen die bisherigen Ergebnisse dennoch sehr zu wünschen übrig. Lieber nehmen die Europäer die Schmähungen von US-Präsident Donald Trump hin anstatt endlich den eigenen Laden auf Vordermann zu bringen. Letzteres muss jedoch nicht unbedingt mit horrenden Mehrausgaben einhergehen. Die Europäer geben bereits jetzt mehr Geld für Verteidigung aus als Russland, aber es kommt bedeutend weniger dabei heraus, weil es den Europäern in Wahrheit nicht um die optimale Verteidigungsfähigkeit geht, wie die zahlreichen maroden Waffensysteme belegen, sondern hauptsächlich um die Interessen der jeweiligen nationalen Rüstungsindustrie.
Die
Europäer leisten sich zu viele unterschiedliche Waffensysteme,
die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz hat sie 2017 im
Munich Security Report aufgelistet:
*Europäische
Verteidigungsagentur: 27 EU-Mitgliedstaaten (Dänemark ist
nicht Mitglied)
Danach verwenden die Amerikaner insgesamt 30 Hauptwaffensysteme, die Europäer hingegen 178, also sechsmal so viele. Das ist zweifelsohne höchst ineffizient, weil sich die Kosten für Entwicklung, Beschaffung, Ersatzteile, Ausbildung und Unterhalt addieren. Außerdem sind die Waffensysteme untereinander nur bedingt kompatibel, so dass sich Verbündete im Konfliktfall nicht einmal mit Material aushelfen könnten. Was nützen etwa Teile für das französische Kampfflugzeug Rafale, wenn die Deutschen den Eurofighter fliegen? Würde man die Waffensysteme vereinheitlichen, könnte man mit den bereits jetzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln wesentlich mehr erreichen. Deutschland und Frankreich wollen das Kampfflugzeug der sechsten Generation gemeinsam entwickeln, es soll 2030/2035 die Rafale und den Eurofighter ersetzen. Würden alle europäischen Nato-Mitgliedstaaten dieses Kampfflugzeug beschaffen, könnte das die Stückkosten deutlich reduzieren. Doch die Politiker lernen einfach nicht dazu, denn nun scheren die Briten aus. Zwar haben sie gemeinsam mit Deutschland, Italien und Spanien (aber ohne Frankreich) den Eurofighter gebaut, trotzdem wollen die Briten beim Nachfolgemodell eigene Wege gehen. [3] Dafür suchen sie nun Partner, wie etwa den schwedischen Rüstungskonzern Saab, der ebenfalls eigene Kampfflugzeuge herstellt. An der chronischen Ineffzienz unserer Armeen wird sich deshalb wohl auch künftig nicht allzu viel ändern. Und weil man sich, anstatt zur Vernunft zu kommen, von Donald Trump mit Brachialgewalt in Richtung 2-Prozent-Ziel (Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt) schieben lässt, werden Haushaltsmittel vergeudet, die man woanders viel dringender bräuchte, zum Beispiel beim Wohnungsbau. Doppelt so teuer bedeutet nicht immer doppelt so gut. Anders ausgedrückt: Lieber effiziente Armeen, die nur halb so viel kosten, als sündhaft teure, die aber an Leistungsfähigkeit zu wünschen übrig lassen. Europa sollte in Verteidigungsfragen unabhängiger von den Vereinigten Staaten werden. Donald Trump hat immer wieder unter Beweis gestellt, wie wenig er von der Nato hält. Gegenteilige Bekundungen sind reine Lippenbekenntnisse. Die Beistandsgarantie ist unglaubwürdig geworden. Sich weiterhin im Wesentlichen auf die USA zu verlassen, wäre töricht. Die Europäer müssen sich stattdessen auf ihre eigene Stärke besinnen, wir haben uns bloß bislang wegen den divergierenden nationalen Egoismen selbst ausgebremst. Europa muss ja nicht wie die Vereinigten Staaten überall Weltpolizist spielen - die Fähigkeit, das eigene Territorium zu verteidigen, reicht vollkommen. Es gibt überhaupt keinen Grund, wie die Maus vor der Schlange (Trump) zu zittern. Und vor Putin schon gar nicht. ----------
[1]
SIPRI, Military expenditure by country
as percentage of government spending, 1988-2017, Excel-Datei
mit 935 kb
[2]
Münchner
Sicherheitskonferenz, Munich Security Report 2017,
Seite 21, PDF-Datei mit 3,2 MB
[3] Der Standard vom 16.07.2018
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