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04. Januar 2019, von Michael Schöfer
Beginn der Gleichschaltung! Beginn von etwas Schlimmerem?

Der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ist wirklich innovativ. Normalerweise wird von Rechtspopulisten zuerst die unabhängige Presse angegriffen und gleichzeitig die Justiz an die Kandare genommen. Anschließend folgen Manipulationen am Wahlrecht, um die eigene Macht zu zementieren. Bolsonaro, der sich mit seinen bisherigen Äußerungen die Bezeichnung "Rechtsextremist" redlich verdient hat, beginnt mit der Gleichschaltung des öffentlichen Dienstes. Gleich in der ersten Kabinettssitzung wurde nämlich die "Säuberung" der Verwaltung beschlossen. "Angestellte in den Ministerien, die mit der Regierung ideologisch nicht auf einer Linie liegen, sollen entlassen werden. (…) Es ergebe keinen Sinn, in den Ministerien Menschen zu beschäftigen, die 'eine andere Denkweise und ein anderes politisches System' vertreten." [1] Eine andere Denkweise als die von Bolsonaro, versteht sich.

Wir Deutsche wissen ja aus eigener Erfahrung, was das bedeutet und was danach noch kommt. Der Beginn der Gleichschaltung bestätigt das, was Bolsonaros Kritiker von Anfang an behauptet haben: Dieser Mann verachtet die Demokratie. Nur Angestellte mit der passenden Gesinnung zu beschäftigen, ist ein Zeichen von Totalitarismus. Mit Pluralismus hat das jedenfalls nichts zu tun. In einer Demokratie sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf die Verfassung vereidigt, nicht auf die Überzeugungen eines Politikers. Man dient im Rahmen der Gesetze einer verfassungskonform handelnden Regierung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Auf Deutschland übertragen heißt das: Wenn der Ministerpräsident Mitglied der CDU ist, darf man als Landesbediensteter trotzdem Anhänger der SPD oder der Grünen sein. Und Anhänger der CDU müssen ebenso wenig ihre Gesinnung wechseln, sollten nach einer Wahl unerwarteterweise die Grünen den Regierungschef stellen. Charakteristisch für die Demokratie ist: Politiker unterschiedlicher Couleur kommen und gehen - die Verwaltung bleibt, weil die dort arbeitenden Menschen dem Staat und keiner Partei verpflichtet sind. Offiziell ist die Verwaltung parteipolitisch neutral, wenngleich sie natürlich den Vorgaben der Regierungspolitik zu folgen hat. Was Verwaltungsangestellte privat darüber denken, steht jedoch auf einem anderen Blatt und ist für deren Arbeit unerheblich.

Dass Bolsonaro gleich zu Beginn solche grundlegenden demokratischen Selbstverständlichkeiten missachtet, lässt Schlimmes ahnen. 1933 war ja auch bei uns die Gleichschaltung nur der erste Schritt in die Diktatur. Und wo es endete, ist allseits bekannt. Bedauerlicherweise leben wir in Zeiten, in denen Pessimisten oft bestätigt werden. In Brasilien wäre ein Typ wie Bolsonaro ohne das vorherige Versagen der korrupten Elite vermutlich nie nach oben gespült worden. Ein Muster, das wir auch in anderen Ländern beobachten können, obgleich der brasilianische Umschwung besonders drastisch ausfällt. Es muss wohl erst ganz schlimm kommen, damit die Menschen endlich aufwachen. Brasilien wird uns diesbezüglich noch viel Anschauungsmaterial liefern.

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[1] tagesschau.de vom 04.01.2019