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29. April 2019, von Michael Schöfer
Haben oder Nichthaben...

...das ist hier die Frage: Die Adler Mannheim, so stand vor dem Spiel am 26. April in der hiesigen Provinzzeitung zu lesen, wollen den ersten Matchball nutzen, d.h. das vierte Play-off-Spiel gegen den EHC München gewinnen. Ehrlich? Die wollen tatsächlich siegen und Deutscher Eishockeymeister werden? Den Pokal haben, nicht haushoch verlieren und mit wehenden Fahnen untergehen? Das hätte ich nicht gedacht, was für eine Überraschung! Da sage noch einer, Zeitungen wären überflüssig.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hat mich unlängst verblüfft. Die Gilets jaunes und der Grand débat hätten ihn zu der Erkenntnis geführt, dass die Franzosen "ihren Anteil am Fortschritt haben wollen". Wie bitte? Die Franzosen möchten wirklich einen Anteil am Fortschritt haben? Nicht verzichten und darben, wie ihnen ihr junger Präsident zunächst generös empfohlen hat? Schnellmerker Macron hat für diese bahnbrechende Erkenntnis bedauerlicherweise zwei volle Jahre gebraucht. Vergeudete Zeit.

Allerdings: Dass die Profite nicht nur den Absolventen der Elite-Unis zufließen sollen, lag zugegebenermaßen nicht unmittelbar auf der Hand. Bis dahin konnte das Establishment davon ausgehen, die Franzosen wären unheimlich scharf darauf, mehr zu arbeiten und zum Ausgleich weniger Lohn zu bekommen. So hatten es jedenfalls die Professoren auf den Elite-Unis gelehrt.

Ei der Daus, was ist denn da passiert? Dieses Anspruchsdenken scheint sich ja wie eine Seuche auszubreiten. Wenn der Wohlstand mit der arbeitenden Masse geteilt werden muss, was bleibt dann noch für die Reichen? Unter Umständen ist sogar die Drittvilla an der Côte d’Azur in Gefahr. Wie sagt man auf Französisch? Genau: I'm deeply shocked!

Ich bin heilfroh, dass es auch noch andere, wesentlich bescheidenere Zeitgenossen gibt. Wahre Vorbilder. Wenn etwa ein bekannter Schauspieler morgens seine kleine Hütte am Starnberger See verlässt, um anschließend in einem Interview offen und ehrlich zu bekennen, er mache sich überhaupt nichts aus Geld, geht mir echt das Herz auf. Geld bringe ihm wenig Spaß, gesteht er dem verdutzten Reporter. Liebe Leserinnen und Leser, verstehen Sie jetzt?

Warum spielen Sie eigentlich noch Lotto, wäre der Millionengewinn nicht eine furchtbare Last für Sie? Ohne jeden Zweifel, denn viele erfolgreiche Schriftsteller, Künstler oder Manager bekunden neuerdings, der materielle Reichtum - Verzeihung - kotze sie im Grunde bloß an. Gewiss, für den Ruhm, das geben sie unumwunden zu, sind sie durchaus empfänglich. Die Eitelkeit, Sie wissen schon… Doch Geld wird von ihnen bestenfalls als Grillanzünder verwendet, so belanglos erscheint ihnen dieses mit bunten Motiven bedruckte Stück Baumwollpapier.

Bankräuber aller Länder, geht in euch: Wozu Geldautomaten sprengen, ist doch lediglich schnöder Mammon? Wenn Bonnie und Clyde das früher gewusst hätten, wären sie alt und glücklich geworden. Bonnie hätte ihrem Clyde im Altersheim zum Frühstück die Bananen püriert und später liebevoll den Rollator vor die Tür gestellt. Da hätte dann bestimmt vieles gewartet, aber mit Sicherheit kein mitleidloses FBI.

Der zwanghafte Drang nach Vermögenswerten, das lassen Sie sich von jemandem sagen, der Ihnen das aufgrund seines Reichtums aus erster Hand berichten kann, ist ganz schlechtes Karma. Vom altehrwürdigen Earl of Dorincourt etwa. Mein Rat: Meditieren Sie jeden Tag mindestens 30 Minuten - und die Kontemplation wird Sie binnen kurzem todsicher auf den Pfad der totalen Bedürfnislosigkeit zurückführen. (Die DVD dazu können Sie übrigens in unserem Shop zu einem Sonderpreis erwerben.)