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15. Juni 2019, von Michael Schöfer
Was ist Donald Trumps Strategie?


Was will Donald Trump eigentlich erreichen? Einen Krieg gegen den Iran angeblich nicht. Aber einem Mann, der notorisch die Unwahrheit sagt (die Fact Checker der Washington Post haben ihm mittlerweile fast 11.000 Unwahrheiten nachgewiesen), muss man generell misstrauen. Der US-Präsident scheint ja ohnehin eher impulsiv anstatt überlegt zu handeln. John Bolton wiederum, sein Sicherheitsberater, genießt den Ruf eines Kriegstreibers. Und den hat er sich redlich verdient. Eine hochexplosive Mischung also.

Der Iran hat sich bislang nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) an das Atomabkommen gehalten. Donald Trump kündigte es jedoch im Mai 2018 einseitig auf (der "schlechteste Deal aller Zeiten"), um ein besseres zu erreichen. Das derzeitige Abkommen könne eine iranische Atomwaffe nicht verhindern, behauptete Trump. Deshalb griff er zu Wirtschaftssanktionen, um den Iran verhandlungsbereit zu machen. Zusätzlich baut er eine militärische Drohkulisse auf. Die zentrale Frage ist: Wird der Iran einknicken? Und wenn nicht, was dann?

Will Trump den Iran dann bombardieren? Das entspräche wohl ganz dem Wunsch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Bereits Anfang des Jahrtausends war die iranische Nuklearanlage in Natanz laut IAEA "mehr als 20 Meter unter der Erde verborgen und durch 2,5 Meter dicke Wände vor möglichen Luft- und Raketenangriffen geschützt". [1] Die Anreicherungsanlage in Fordo bei Qom liegt 90 Meter tief im Fels. [2] Beide Anlagen sollen inzwischen durch russische Flugabwehrsysteme geschützt sein. Ob da konventionelle bunkerbrechende Waffen ausreichen?

Oder wird Trump zum ersten Mal seit Hiroshima und Nagasaki Atomwaffen einsetzen? Das hätte weitreichende Folgen, aber Donald Trump ist allem Anschein nach nicht der Mann, der solche brisanten Angelegenheiten bis zur letzten Konsequenz zu Ende denkt. Danach könnte man wahrscheinlich alle Bemühungen, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu begrenzen, aufgeben. Jedes Autokraten-Regime würde daraus den Schluss ziehen, dass es nur sicher ist, wenn es selbst Atomwaffen besitzt. Der Drang, diese Waffen heimlich herzustellen, wäre jedenfalls enorm. Von der Rechtslage ganz zu schweigen, denn die Androhung eines Atomangriffs ist völkerrechtswidrig und deren Einsatz wegen den verheerenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung ein Kriegsverbrechen.

Doch auch konventionelle Angriffe auf Atomanlagen haben unter Umständen schlimme Folgen. Die Bombardierung des Atomkraftwerks Buschehr, von Urananreicherungsanlagen und Nuklearforschungszentren könnte zur radioaktiven Verseuchung ganzer Landstriche führen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, müssten nämlich "nach Expertenmeinung in Iran mindestens zwölf Anlagen zerstört werden, die über das ganze Land verteilt sind". [3] Mit chirurgischen Schlägen ist es da kaum getan, die Risiken sind demzufolge enorm.

Ob eine Invasion mit Bodentruppen ratsam ist und überhaupt erfolgreich wäre, wage ich zu bezweifeln. Vermutlich bricht das Regime in Teheran nicht so leicht zusammen, wie ehedem das von Saddam Hussein im Irak. Gerade wenn es gegen den "großen Satan" geht. Militärisch ist der Iran zwar hoffnungslos unterlegen, doch zumindest die Revolutionsgarde dürfte hartnäckigen Widerstand leisten. Wenn viele US-Soldaten in Leichensäcken in die Heimat zurückkehren, hat Trump ein gewaltiges innenpolitisches Problem: Ist es das wert, könnten sich die Amerikaner fragen. Die Anti-Iran-Stimmung schlägt möglicherweise über Nacht um. Ein iranischer Angriff auf die Ölanlagen der Nachbarländer bringt überdies vielleicht die gesamte Weltwirtschaft zum Taumeln. Militärische Stärke ist sowieso nicht alles, wie wir durch die unheilvolle Nachkriegsentwicklung des Irak lernen mussten.

Es besteht Grund zur Sorge. Noch gibt es keinen Krieg, noch kann man sich mithilfe der Diplomatie einigen. Allerdings sind die Fronten hüben wie drüben total verhärtet, was eine diplomatische Lösung in weite Ferne rückt. Deshalb noch einmal: Was passiert, wenn der Iran entgegen den Erwartungen von Donald Trump nicht einknickt? Was, wenn Trump kein besseres Abkommen als das alte bekommt? Viele Beobachter glauben bereits, der US-Präsident habe sich verzockt oder habe nie eine schlüssige Strategie besessen. Gerade das macht die Situation so gefährlich, denn bevor er sich vor aller Welt blamiert zurückzieht, zieht er womöglich doch die militärische Karte.

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[1] Die Zeit-Online vom 30.10.2003
[2] Süddeutsche vom 11.04.2012
[3] Süddeutsche a.a.O.