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05. September 2019, von Michael Schöfer
Unhaltbare Zustände


Lieber Bürgermeister von Wolfratshausen, gerne würde ich Ihren beschaulichen Ort am Starnberger See besuchen und mich an der wunderschönen oberbayerischen Landschaft ergötzen. Fast hätte ich dieses Jahr im Sommer das Gastgewerbe Ihrer Gemeinde finanziell unterstützt - bis ich dann auf für mich total beunruhigende Tatsachen gestoßen bin: Dank Hubert und Staller weiß ich nun, dass es in Wolfratshausen jede Woche mindestens zwei Morde gibt. Zwei Morde! Heimtückische und grausame Morde! Macht pro Jahr alles in allem 104 Kapitalverbrechen. Und das bei knapp 19.000 Einwohnern. Zum Vergleich: 2018 gab es laut BKA in Deutschland lediglich 386 Morde - bei immerhin 83 Millionen Einwohnern. Mit anderen Worten: Wolfratshausen ist hierzulande für fast ein Drittel aller Morde verantwortlich. Sie werden hoffentlich verstehen, dass sich vor diesem Hintergrund der Urlaubsgenuss in engen Grenzen hält. Wer macht schon gerne in Kriminalitätsschwerpunkten Urlaub, die sich durchaus mit Caracas (Venezuela) oder Pretoria (Südafrika) messen lassen? Niemand. Na, sehen Sie!

Gewiss, für die völlig unzureichende Personalausstattung Ihrer örtlichen Polizei ist hauptsächlich Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verantwortlich. Doch wann haben Sie zuletzt diesbezüglich in München interveniert und mit resoluter Stimme Verstärkung gefordert? In Wolfratshausen wohnt sogar der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber - genutzt hat es der bayerischen Landespolizei aber offenkundig wenig. Durch Hubert und Staller bin ich genauestens über die Trotteligkeit der Beamten Ihres Polizeireviers informiert. Polizeiobermeister Hubsi und Polizeiobermeister Hansi lösen die Fälle mehr oder weniger durch puren Zufall, Revierleiter Girwidz wiederum ist das Paradebeispiel eines unfähigen Vorgesetzten. Kann so jemand in Bayern wirklich in den höheren Dienst aufsteigen? Ich bin ebenso erstaunt wie entsetzt. Oder werden, eine andere denkbare Erklärung, alle unfähigen bayerischen Polizisten kurzerhand nach Wolfratshausen strafversetzt? Ihr malerisches Örtchen ist dafür ehrlich gesagt viel zu schön, eine solche Strafversetzung ist deshalb in Wahrheit eine besondere Belohnung. Einzig der krass unterschätzte Polizeimeister Riedl gibt ein bisschen Anlass zur Hoffnung, er leidet aber erkennbar unter dem cholerischen Charakter seines Chefs. Können Sie mir mal verraten, warum ausgerechnet der fähigste Beamte ständig die dämlichsten Aufträge bekommt? Ich hoffe zu Ihren Gunsten, dass das von den Honoratioren am Stammtisch beim "Siggi" intensiv erörtert wird.

Was mich außerdem noch an der Wolfratshausener Polizei stört: "Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen." (§ 137 StPO) Gibt es in Ihrem Ort keine Strafverteidiger, denn alle Vernehmungen finden ohne einen solchen statt? Ordnungsgemäße Belehrung bei der Erstvernehmung? (§ 136 StPO) Fehlanzeige! Was sagt da der Girwidz? Wie bitte, der schüttelt verblüfft den Kopf? Ich auch! Und haben Sie keine Kripo? Jeder Ort, der etwas auf sich hält, hat inzwischen seinen eigenen Tatort-Kommissar, aber Wolfratshausen hat offenbar noch nicht einmal eine Kriminalassistentin. Da war der Münchner Kommissar Erik Ode Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre schon wesentlich weiter, der hatte wenigstens seine Käthe Rehbein - selbst wenn die vor allem fürs Kaffeekochen zuständig schien. Bei einer absolut unvermeidlichen Ortsdurchfahrt sollte man keinesfalls in der Bäckerei Rattlinger pausieren, da man bedauerlicherweise große Chancen hat, anschließend auf dem Seziertisch der liebreizenden Pathologin zu landen. Und dann verliert all der Liebreiz verständlicherweise komplett seinen Reiz. Kurzum, Wolfratshausen ist ein extrem gefährliches Krisengebiet. Ist es potenziellen Touristen wie mir zu verdenken, wenn sie Ihren hinter der glänzenden Fassade keineswegs beschaulichen Ort meiden, solange dort derart unsichere Verhältnisse herrschen?

Lieber Bürgermeister von Wolfratshausen, ich werde die weitere Entwicklung Ihrer Gemeinde aufmerksam verfolgen. Sollte sich die Kriminalitätsbelastung bei Ihnen deutlich und nachhaltig verbessern, dürfen Sie mich bei meinem darauffolgenden Besuch auch gerne persönlich begrüßen. Bitte mit Übernachtungsgutschein plus Urkunde: "Hundertster Tourist nach erfolgreicher Genesung der Kommune." Glauben Sie mir, wenn der Riedl erst mal Revierleiter ist, geht es auch mit Wolfratshausen wieder bergauf. Der macht nämlich mit den absolut unhaltbaren Zuständen konsequent Schluss.