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15. September 2019, von Michael Schöfer
Was hätten wohl die Mitarbeiter der 116117 gesagt?


Die Kassenärztliche Bundesvereinigung will die Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes bekannter machen, dafür dient die Kampagne mit den Elfen (116117 - Die Nummer mit den Elfen). Mit deren Hilfe sollen die Patientenströme besser gesteuert werden, denn zu viele Patienten würden außerhalb der Praxisöffnungszeiten ihres Arztes mit Erkrankungen, die keine Notfälle seien, in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen und diese dadurch überlasten.

"Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist für Patienten da, die außerhalb der regulären Sprechzeiten dringend ärztliche Hilfe brauchen. Er ist für Patienten gedacht, die nicht lebensbedrohlich erkrankt sind, aber mit ihren Beschwerden auch nicht bis zur nächsten Sprechstunde warten können", heißt es auf der Website der Kampagne. "Sie sprechen mit einem medizinisch geschulten Mitarbeiter in Ihrer regionalen Leitstelle. Ihr Anliegen wird aufgenommen und bei Bedarf an einen Arzt in Bereitschaft weitergeleitet. Sie erfahren, welche Notdienstpraxis in Ihrer Nähe geöffnet hat." Die Verbraucherzentrale erläutert: "Dies ist zum Beispiel bei hohem Fieber bei einem grippalen Infekt, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall bei Magen-Darm-Erkrankungen oder starken Kopfschmerzen bei Migräne der Fall." Der Ärztezeitung zufolge kommt unterstützend eine Software zum Einsatz: "Um die Dringlichkeit eines Anrufs besser einschätzen zu können, werden die Callcenter der 116117 mit einer Software zur medizinischen Ersteinschätzung (SmED) ausgestattet."

Ob die 116117 aber wirklich hilft, muss sich erst noch zeigen. Aus eigener Erfahrung heraus habe ich daran berechtigte Zweifel. Vielleicht wäre meine Tochter schon tot, wenn es die Nummer bereits vor Jahren gegeben hätte (die 116117 wurde in Baden-Württemberg erst 2015 freigeschaltet). Mit den Symptomen Durchfall, Erbrechen und Bauchschmerzen fuhr ich sie 2014 mitten in der Nacht von Samstag auf Sonntag zum ärztlichen Notdienst. Diagnose: Darminfektion (was leider eine Falschdiagnose war). Am nächsten Tag (Sonntag) hatte sie immer noch Schmerzen, also ab ins Krankenhaus zur Notfallaufnahme. Dort wurde sie nach längerer Wartezeit von einer Ärztin untersucht und gleich dabehalten. Am Montag erfolgte dann frühmorgens eine MRT-Untersuchung und mittags die Notoperation wegen eines durchgebrochenen Blinddarms.

Was hätten wohl in diesem Fall die Mitarbeiter am Telefon der 116117 gesagt? Ich frage mich, ob dadurch nicht Leben in Gefahr geraten, weil wertvolle Zeit vergeudet wird. Die Gefahr von Falschdiagnosen ist doch am Telefon ungleich höher. Im Fall meiner Tochter war es jedenfalls höchste Eisenbahn. Und im Krankenhaus waren, im Gegensatz zum ärztlichen Notdienst, auch die zur korrekten Diagnose notwendigen medizinischen Geräte vorhanden. Vom OP-Saal ganz zu schweigen. Wäre es nicht besser, die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser besser auszustatten (finanziell und personell)? Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass man mit zunehmendem Technikeinsatz versucht, den Mangel besser zu verwalten anstatt ihn zu beseitigen. Anders ausgedrückt: Es wird an den Symptomen herumgedoktert, aber die eigentliche Ursache außer Acht gelassen.