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20. September 2019, von Michael Schöfer
Auf diese Ignoranz kann man nicht stolz sein


Das war ja zu erwarten: Der Polizeigewerkschafter Rainer Wendt (DPolG) präsentiert uns auf seiner Facebook-Seite abermals seine alberne Ignoranz und kommentiert hämisch von der rechtskonservativen Seitenauslinie aus die heutigen "Fridays for Future"-Demos: "Hmmm, ich will ja morgen eigentlich zur Hochzeit meiner Tochter von Berlin ins Ruhrgebiet fahren, komme also nicht zur Berlin-Demo. Kann ich dann im ICE für Klima demonstrieren? So für mich und ganz leise? Oder brauche ich eine Entschuldigung vom fff-Komitee?" [1] Wendt findet diese ganze "Greta-Hysterie", wie er sich auszudrücken beliebt, ohnehin lächerlich. Über die dürfe "man sich getrost lustig machen". [2] Was er ausgiebig tut. Manche scheinen ja auf derart billiges Vergnügen abzufahren.

Wenn bloß die Fakten nicht wären: Der Sommer 2019 war nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes hierzulande der drittwämste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881, gleichzeitig lag die Niederschlagsmenge um gut ein Viertel (27 %) unter dem Durchschnitt. Deutschland erlebt erneut ein Dürrejahr. Im Juli wurde sogar mit 42,6 Grad Celsius der Temperaturrekord geknackt. [3] Der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zufolge war der Sommer 2019 (Juni bis August) global der zweitwärmste seit 1880. [4]

Kommentare von Rainer Wendt? Keine, denn außer dass er sich über die von Greta Thunberg initiierte "Fridays for Future"-Bewegung lustig macht, hat er sachlich offenbar nichts zum Thema beizutragen. Klimapolitik sei bei den Wahlveranstaltungen (Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg) "echt das einzige Thema" gewesen, das "keinen einzigen Menschen" interessiert habe, schreibt Wendt. [5] Es muss eine bislang von jeglichem Klimawandel verschonte Parallelgesellschaft sein, in der sich der Polizeigewerkschafter bewegt. Oder ist sein Blick höchst selektiv? Nimmt er nur das wahr, was in sein rechtskonservatives Weltbild passt? Eliminiert er daraus, was seiner Auffassung nach nicht sein darf? Wie dem auch sei, der Kontrast ist jedenfalls eklatant: Die Ernteerträge der Landwirte liegen klimabedingt ein weiteres Mal unter dem Durchschnitt, für viele Betriebe wird 2019 ein existenzbedrohendes Jahr. Rainer Wendt zieht es stattdessen vor, über die Umweltschützer zu spotten. Unfassbar!

Zum Glück sind die Menschen im Gegensatz zu Wendts eng begrenztem Umfeld durchaus an der Klimapolitik interessiert, in Australien sollen sich nach Angaben der Veranstalter mindestens 300.000 Menschen am globalen Klimastreik beteiligt haben. Ein guter Auftakt. Laut ARD-DeutschlandTrend ist der Klimaschutz momentan für die Mehrheit der Deutschen das politisch wichtigste Thema. Immerhin "knapp zwei Drittel der Wahlberechtigten (63 Prozent) sind der Meinung, dass der Klimaschutz Vorrang haben sollte, selbst wenn dies dem Wirtschaftswachstum schadet." [6] Was Rainer Wendt trotz der ostentativ zur Schau getragenen Häme vermutlich ganz besonders ärgert: Bei der Sonntagsfrage (Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre…) kommen die Grünen aktuell auf 23 Prozent. Und bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg könnten die Grünen derzeit mit 38 Prozent der Stimmen rechnen, Wendts CDU liegt mit 26 Prozent weit dahinter. [7] Es suhlen sich eben nicht alle so in ihrer Ignoranz, wie wir das von Rainer Wendt seit langem gewohnt sind.

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[1] Facebook-Seite von Rainer Wendt, Post vom 19.09.2019, 7:33 Uhr
[2] Facebook-Seite von Rainer Wendt, Post vom 02.03.2019, 04:52 Uhr
[3] National Geographic vom 10.09.2019
[4] NOAA vom 16.09.2019
[5] Facebook-Seite von Rainer Wendt, Post vom 02.09.2019, 23:25 Uhr
[6] tagesschau.de vom 19.09.2019
[7] SWR, BW-Trend September 2019