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26. November 2019, von Michael Schöfer
Lügner und Heuchler


Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Was hat Rainer Wendt eigentlich erwartet? Dass alle dem polarisierenden Polizeigewerkschafter freudestrahlend um den Hals fallen? Und ihm als Belohnung obendrauf das üppige Gehalt eines Staatssekretärs auf dem Silbertablett servieren? Wendt ist anscheinend noch nicht einmal in seiner eigenen Partei (der CDU) vermittelbar. Doch bevor er über vermeintliche "Lügner und Heuchler" herzieht, sollte er sich zuerst an die eigene Nase fassen. Wer hat denn vor laufender Kamera über die Herkunft seines Einkommens die Unwahrheit gesagt? Wendt oder die vermeintlichen "Lügner und Heuchler"? [1]

Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat in seinem "Abschlussbericht des Verwaltungsermittlungsverfahrens zum Fall Rainer Wendt" am 19. April 2018 Folgendes festgehalten: Rainer Wendt habe als Polizeibeamter jahrelang ohne Rechtsgrundlage vom Land ein Teilzeitgehalt bezogen, aber keinen Dienst verrichtet. Er sei rechtswidrig beurteilt und rechtswidrig befördert worden. [2] Von einer solchen Vorzugsbehandlung können "kleine" Polizeibeamte nur träumen.

Und nun wird ihm Presseberichten zufolge für mehrere Monate die Pension gekürzt, weil er die Nebentätigkeit im Aufsichtsrat der Axa-Versicherung weder angezeigt noch die daraus resultierenden Bezüge angegeben hat. "Es handelt sich um einen rein formalen Verstoß", versucht er abzuwiegeln. [3] Soll wohl heißen: Alles nicht so schlimm. Will Wendt mit dieser laxen Einstellung anderen Beamten wirklich als Vorbild dienen?

Dabei ist das keine Lappalie: "Der Verstoß gegen Nebentätigkeitsbestimmungen kann bei Beamten auf Lebenszeit zu disziplinären Maßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst, bei Beamten auf Widerruf und auf Probe unter bestimmten Voraussetzungen auch zur Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Entlassung führen", kommentiert der rehm-Verlag die einschlägigen Bestimmungen des Beamtenrechts. [4] Urteile dazu gibt es genug. Angesichts dessen wäre Wendt als Staatssekretär im Magdeburger Innenministerium tatsächlich untragbar gewesen. Und das ist keineswegs die Schuld des "linken Mainstreams".

Der rechtskonservative Polizeigewerkschafter will andere stets mit der vollen Härte des Gesetzes behandelt wissen und lästert gerne über die - wie er meint - "Kuscheljustiz",
gegenüber sich selbst ist er jedoch auffallend nachsichtig. Lügner und Heuchler? Fragt sich bloß, auf wen das im vorliegenden Fall zutrifft. Dass eine Polizeigewerkschaft glaubt, sich einen solchen Vorsitzenden leisten zu können, versteht außerhalb derselben keiner.

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[1] Tagesthemen-Video vom 03.03.2017
[2] Landtag NRW, Vorlage 17/731, PDF-Datei mit 711 kb
[3] Stuttgarter Nachrichten vom 25.11.2019
[4] rehm-Verlag vom 05.01.2015, Dr. Maximilian Baßlsperger: Nebentätigkeit und Dienstvergehen