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11. November 2019, von Michael Schöfer
Die Herkunft dürfte gar keine Rolle spielen


Deutschland ist der Normalität wieder ein Stück näher gekommen, trotzdem sind wir noch weit von normalen Zuständen entfernt. Belit Onay ist am Sonntag zum Oberbürgermeister von Hannover gewählt worden. Herzlichen Glückwunsch. Dennoch fällt auf, dass in den Medien den ganzen Tag auf Onays Migrationshintergrund hingewiesen wurde. Klar, allzu viele Politiker mit Migrationshintergrund gibt es hierzulande nicht. Und bis dato keine als Oberhaupt einer Landeshauptstadt. Seine Wahl ist ein Beleg für Deutschlands Weg in Richtung Normalität - aber zugleich ein Anzeichen dafür, dass wir dort noch nicht angekommen sind. Würden wir sonst Onays Herkunft einer besonderen Erwähnung für wert befinden?

"Zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund zählen alle Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzen oder die mindestens ein Elternteil haben, auf das dies zutrifft", erläutert das Statistische Bundesamt. Im Jahr 2018 traf das auf 20,8 Mio. Menschen zu (= 25,5 % der Bevölkerung). Nicht normal ist, dass diese 20,8 Mio. Menschen in der Politik offenbar unterrepräsentiert sind. So gibt es beispielsweise im Deutschen Bundestag laut "Mediendienst Integration" lediglich 58 Abgeordnete mit einem Migrationshintergrund (= 8,2 %), eigentlich müssten es 180 sein. Normal wäre, wenn Menschen, die Belit Onay oder so ähnlich heißen, gewählt würden, ohne dass man ausdrücklich auf ihren Migrationshintergrund aufmerksam macht. Die Herkunft dürfte im Grunde gar keine Rolle spielen, das wäre jedenfalls der Idealzustand. Im Deutschen Bundestag sind übrigens auch Frauen unterrepräsentiert, nur 221 von 709 Abgeordneten sind weiblich (= 31,2 %). Zum Vergleich: In Deutschland sind Frauen mit 50,7 Prozent sogar in der Mehrheit. Es gibt also in jeglicher Hinsicht noch viel zu tun.