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18. September 2019, von Michael Schöfer
Die Regierung steht nach eigener Ansicht über dem Gesetz


Der Grundgedanke der Gewaltenteilung ist, dass sich die Institutionen (Exekutive, Legislative, Judikative) gegenseitig kontrollieren. Die Macht wird grob gesagt so aufgeteilt: Die Regierung kontrolliert die ihr unterstellen Behörden, das Parlament beschließt die Gesetze, die Justiz wiederum überwacht, ob die Regierung die Gesetze befolgt und ob die Gesetze des Parlaments der Verfassung entsprechen. Boris Johnson ist auf dem besten Weg, in Großbritannien eine schwerwiegende Verfassungskrise auszulösen. Die britische Regierung hat das Parlament in Zwangsurlaub geschickt, um ungestört eine Politik zu verfolgen, die dem vom Parlament beschlossenen Brexit-Gesetz widerspricht. Obendrein behauptet der Anwalt der Regierung vor dem Obersten Gericht, dass die Entscheidung über die Parlamentspause in einer "hohen politischen Sphäre" getroffen worden sei, die sich der Gerichtsbarkeit entziehe. Anders ausgedrückt: Die Regierung steht nach eigener Ansicht über dem Gesetz. Wenn das Oberste Gericht der Argumentation der Regierung folgt, wäre das Ende der Gewaltenteilung gekommen und Boris Johnson könnte sich zum Diktator aufschwingen. Was die Briten jetzt unbedingt brauchen, ist eine geschriebene Verfassung, in der detailliert drinsteht, wer was tun darf.