Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



23. August 2019, von Michael Schöfer
Wir müssten uns an die eigene Nase fassen


Im irrationalen Zeitalter fragt man sich ernsthaft, wo die ausgebüxt sind: Donald Trump oder Jair Bolsonaro. Leider ist die Antwort nicht so eindeutig, wie man sich das wünscht, denn analog zu Dürrenmatts Bühnenstück "Die Physiker" ist keineswegs klar, wer die wahren Irren sind. Bolsonaro taugt vorzüglich als Feindbild. Und er ist auch, nun ja, ziemlich eigenartig. Unter seiner Regierung hat die Abholzung des Regenwaldes extrem zugenommen, momentan brennt es im Amazonasgebiet an allen Ecken und Enden. Allerdings wurden in Brasilien zwischen 1988 und 2018 436.600 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt (zum Vergleich: Deutschland 357.578 qkm). Bolsonaro ist jedoch erst seit dem 1. Januar 2019 Staatspräsident. Das hat die EU nicht daran gehindert, mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten ein Freihandelsabkommen abzuschließen. Kurz gesagt: Wir liefern Industriegüter, die liefern Agrarprodukte (bedeutet aber faktisch eine zunehmende Abholzung des Regenwaldes). Zwar haben sich die EU und die Mercosur-Staaten zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzübereinkommens verpflichtet, doch das sind Lippenbekenntnisse. Auch Deutschland hat sich bekanntlich zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzübereinkommens verpflichtet, kann aber bislang nicht plausibel erklären, wie die notwendige Reduktion der Klimagase erreicht werden soll. Kurzum, wir müssten uns an die eigene Nase fassen. Gewiss, die Vernichtung des Regenwaldes ist eine globale Katastrophe, wir haben freilich in der Vergangenheit kräftig dazu beigetragen. Der größte Teil unserer Soja-Importe stammt, Sie ahnen es bereits, aus Brasilien. Bolsonaro ist der Sack, auf den man - zu Recht - einprügelt. Aber da stecken noch andere drin.