Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



27. Januar 2020, von Michael Schöfer
Man sollte vorher wissen, worauf man sich einlässt


"Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich für ein umfassenderes Mandat der Bundeswehr in der südlichen Sahara ausgesprochen. (…) In der Sahelzone entstehe gerade eine große Drehscheibe für Terrorismus, für organisierte Kriminalität, für Migration und Menschenhandel." [1] Etwa in Mali. Die CDU-Vorsitzende hat auch einen Libyen-Einsatz nicht ausgeschlossen, sie könnte sich eine deutsche Beteiligung an einer internationalen Schutztruppe für das vom Bürgerkrieg zerrissene Land durchaus vorstellen. In welch schwierigem Umfeld sich solche Einsätze bewegen würden, zeigen die Verstöße gegen die kürzlich auf der Berliner Libyen-Konferenz vereinbarte Waffenruhe und das Unterlaufen des seit 2011 geltenden Waffenembargos. Die Zusagen der Konferenzteilnehmer werden offenbar nicht eingehalten. Das war leider zu erwarten.

Zunächst stellt sich natürlich die Frage, ob die Bundeswehr überhaupt in der Lage wäre, sich an solchen Einsätzen aktiv zu beteiligen. Die Personalnot, der Mangel an Ausrüstung und der beklagenswerte Zustand des vorhandenen Equipments sind ja hinlänglich bekannt. Hier den Mund zu voll zu nehmen, also etwas anzubieten, das man im Ernstfall gar nicht liefern kann, wäre fatal. Außerdem kommt jede militärische Intervention in den libyschen Bürgerkrieg einem Stich ins Wespennest gleich. In Libyen kämpfen nicht bloß zwei Parteien um die Macht im ölreichen Wüstenstaat, sondern es ringt dort ein unübersichtliches Konglomerat von Milizen um die Vorherrschaft. Teilweise sogar unterstützt von diversen ausländischen Regierungen. Wie schwer sich moderne Armeen mit asymmetrischen Konflikten tun, zeigt ja zum Beispiel der schier endlose Krieg in Afghanistan. Die Bundeswehr wäre in Afrika ebenfalls mit Gegnern konfrontiert, die sich von der Zivilbevölkerung kaum unterscheiden würden. Das im Wesentlichen von Stammeszugehörigkeiten und den entsprechenden Loyalitäten geprägte Libyen ist somit unübersichtliches Terrain und politisch vermintes Gelände. Dort deutsche Soldaten hinzuschicken, will folglich gut überlegt sein.

Die Europäer haben kaum realistische Vorstellungen davon, wie groß Afrika ist. Libyen hat zwar bloß knapp 7 Mio. Einwohner, ist aber mit einer Fläche von 1.775.500 Quadratkilometern fast fünfmal so groß wie Deutschland (357.582 qkm). Unsere Landkarten spiegeln die wahren Größenverhältnisse nicht korrekt wider. In den afrikanischen Kontinent (30.221.532 qkm) passen locker Russland (17.075.400 qkm), die USA (9.826.675 qkm) und Indien (3.287.469 qkm) hinein. Gleichzeitig, wohlgemerkt. Allein die Sahara ist 26-mal so groß wie Deutschland. Für einen Gegner, der angesichts der waffentechnischen Unterlegenheit verständlicherweise die offene Feldschlacht scheut und daher auf die Guerillataktik ausweicht, ideale Verhältnisse. Solche Konflikte sind meist langwierig und verlustreich. Insofern sollte man vorher wissen, worauf man sich einlässt, wenn man ein robusteres Mandat in Afrika befürwortet.

----------

[1] Spiegel-Online vom 19.12.2019