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27. Juni 2019, von Michael Schöfer
Die Aufklärung verläuft allzu oft im Sande


Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke verspricht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): "Wir werden alles tun, um aufzuklären." Doch bei Straftaten durch Rechtsextremisten ist generell Misstrauen angesagt. Nach dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie versprach auch der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) "rückhaltlose Aufklärung". Und was haben wir erlebt? Das Schreddern von Akten, haarsträubende Ermittlungspannen, disfunktionale Behörden, die mysteriöse Anwesenheit eines hessischen Verfassungsschützers während der Tatausführung, der aus dem Raster fallende Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter, Ku-Klux-Klan-Polizisten, die aberwitzige 120-jährige Sperrfrist für eine Akte des Verfassungsschutzes zum NSU, Polizeibeamte, die verdächtigt werden, mit "NSU 2.0" unterzeichnete Drohbriefe an eine Anwältin zu versenden… Man braucht gar nicht bis zum Attentat auf das Oktoberfest zurückzugehen, um zu konstatieren: Die Aufklärung von Verbrechen Rechtsextremer verläuft allzu oft im Sande, Beweise werden übersehen oder vernichtet. Am Ende sind es dann angeblich immer Einzeltäter, für die im Verborgenen agierenden Netzwerke ist man offenkundig blind. Nicht wenig glauben, dahinter verberge sich sogar Absicht. Das Vertrauen in den Staat hat massiv gelitten, ob es bei der Behandlung des Falls Lübcke wieder besser wird, bleibt abzuwarten. Die Zweifel daran sind nicht unberechtigt.