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28. Juni 2020, von Michael Schöfer
Udo Lindenberg ist definitiv das falsche Vorbild


Mehr Schein als Sein, die Welt will betrogen werden. Nein, es geht hier ausnahmsweise einmal nicht um Wirecard, den abgestürzten Ikarus des Deutschen Aktienindex. Es geht vielmehr um das Image von Prominenten, das oft über Jahrzehnte hinweg sorgsam gepflegt wird, aber dennoch mitunter Risse bekommt.

Beispiel Udo Lindenberg: Der Panik-Rocker hat von Anfang an den Eindruck erweckt, er gehöre nicht zum Establishment. "Panik ist gut, Panik bedeutet Unruhe, Spontansein. Als ich anfing mit der Musik, wollte ich vor allem das Establishment irritieren, die deutsche Schlager-Lobby war schon damals unheimlich stark, da musste man gegen an. Da wollte ich Panik verbreiten", bekundete er vor längerer Zeit in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt. [1] Das war nachvollziehbar, denn bei selbsternannten Rockern gehört die Anti-Establishment-Attitüde gewissermaßen zum Geschäftsmodell. Hätte man etwa Mick Jagger 1968 "Street Fighting Man" abgekauft, wäre er damals "Ritter ihrer Majestät" gewesen? (Was er dann 2002 tatsächlich wurde. Band-Kollege Keith Richards äzte damals über Sir Mick: "Ich will nicht mit jemandem auf der Bühne stehen, der Krone und Hermelin trägt".) [2]

Prominente setzen sich auch gerne für das Gute in der Welt ein. Ob aus Überzeugung oder zur Förderung des eigenen Images, ist dabei leider nicht immer klar. Umweltschutz geht zum Beispiel immer gut. Und dabei kann man das Wettern gegen die Umweltsünder herrlich mit der Anti-Establishment-Attitüde verbinden, weil das Establishment bekanntlich den größten ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Warum, fällt sofort ins Auge: aufwändiger Lebensstil, viele Flugreisen, kostspielige Urlaube, spritschluckende Autos etc. Panik-Rocker Udo Lindenberg fordert deshalb: "Wir müssen endlich die großen Baustellen auf der Welt anpacken. Umweltschutz, Kampf gegen den Klimawandel und für den Frieden. Stoppt Gewalt, stoppt Kriege. Wir haben nur diese eine Erde und keinen Planeten B in der Tasche." [3] Recht hat er, der Kampf gegen den Klimawandel hat höchste Priorität, denn diesbezüglich ist es nicht mehr 5 vor 12, sondern bereits 5 nach 12.

Ein Mensch kann authentisch sein, einfach indem er tut was er sagt. Ein Mensch kann sich aber auch bloß ein positives Image zulegen, weil es in seinem beruflichen Umfeld verkaufsfördernd ist, hinter der Fassade sieht es womöglich ganz anders aus. Bei Unternehmen heißt eine solche Strategie "Greenwashing" (sich ein grünes Mäntelchen umhängen). Dahinter steckt wenig Substanz, Greenwashing ist nämlich reine Public Relations und dazu werden gezielt Lobbyisten oder PR-Agenturen eingesetzt. Man tut eben nur so als ob. Perfekt funktioniert Greenwashing, wenn Autokäufer sich einen SUV zulegen und dabei gleichzeitig ein gutes ökologisches Gewissen haben. Dann haben sie im Autohaus bestimmt viele Hochglanz-Prospekte vorgelegt bekommen, in denen irgendetwas mit Nachhaltigkeit und ähnlichem Blabla stand. Gesellschaftliches Engagement geht ebenfalls gut: soziale Gerechtigkeit, Frieden, Spenden für Kinder in der sogenannten Dritten Welt etc.

Nun wurde allerdings gerade die Nachricht verbreitet, dass Udo Lindenberg seinen geklauten Porsche wieder zurückbekommen hat. Diebe hatten den Luxus-Sportwagen vor kurzem aus der Tiefgarage des Hamburger Nobel-Hotels "Atlantic" entwendet. Der Porsche 911 R hat einen Vier-Liter-Sechszylinder-Boxermotor mit 500 PS, inzwischen soll das limitierte Sondermodell (es wurden nur 991 Stück gebaut) einen geschätzten Liebhaberwert von 350.000 Euro besitzen. Und wie zu lesen war, fährt Lindenberg seit 40 Jahren Porsche und ist sogar Markenbotschafter des Sportwagen-Herstellers. [4] Nach Werksangaben hat der Flitzer einen Kraftstoffverbrauch von 13,3 Liter/100 km (kombiniert) und emittiert 308 g CO2 pro km. [5] Zum Vergleich: Laut EU-Verordnung dürfen Neuwagen ab 2020 nur noch 95 g CO2 aus dem Auspuff blasen, das entspricht einem Benzinverbrauch von 4,1 Litern. [6]

Ob ein Luxus-Sportwagen zum Anti-Establishment-Image eines Panik-Rockers passt, sollen die Leserinnen und Leser selbst entscheiden. Meiner Meinung nach jedenfalls nicht, denn das beißt sich ungemein. Mehr Establishment geht eigentlich kaum. Bei einem Playboy wie Gunter Sachs oder einem Adligen wie Alfried Krupp von Bohlen und Halbach war das vielleicht noch stimmig. Aber bei Udo?

Wie war das nochmal mit der Umwelt? "Wir haben nur diese eine Erde und keinen Planeten B in der Tasche." (O-Ton Lindenberg) Ach! Echt? Fridays for Future loben und einen Porsche 911 R fahren - da klafft m.E. in puncto Glaubwürdigkeit eine unüberbrückbare Kluft. Würde jeder ein Auto fahren, das pro Kilometer 308 g CO2 hinausbläst, bräuchten wir schließlich noch einen Planeten C in der Tasche. Oder einen Planeten D. Doch bei Udo Lindenberg scheint das offenbar zu passen, seine Fans stört dieser eklatante Widerspruch kaum. Man macht es ihm ja auch verdammt leicht, denn in dem o.g. Interview mit t-online ("Wir verspielen die Zukunft einer ganzen Generation") wird er mit keinem Wort auf die Diskrepanz zwischen seinen Äußerungen und seiner Porsche-Markenbotschafter-Tätigkeit angesprochen.

Fazit: Beim Kampf gegen den Klimawandel ist Udo Lindenberg definitiv das falsche Vorbild.

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[1] Hamburger Abendblatt vom 17.11.2011
[2] FAZ.Net vom 12.12.2003
[3] t-online vom 27.03.2019
[4] Autobild vom 27.06.2020
[5] Porsche Newsroom vom 01.03.2016
[6] Autobild vom 14.03.2020