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01. Juli 2020, von Michael Schöfer
Schließlich soll keiner sein Talent vergeuden. Nicht so!


Er sagt von sich selbst, er sei Journalist. Wohlgemerkt: ein guter Journalist. Er lobt sich ohnehin fortwährend selbst, etwa wie "umfassend und ohne Scheuklappen" er recherchiert. Im Gegensatz zu anderen, versteht sich. Und das liest sich dann so: "Jeder Journalist in der Metropolregion Rhein-Neckar, der meinen Namen nicht kennt, lügt entweder oder ist ein Recherche-Depp. Jeder kann sich seine Rolle aussuchen. Jeder Journalist in der Metropolregion kann sich auch selbst fragen, wie das wäre, wenn man ein echter Journalist wäre und wie sich das anfühlt, wenn man umringt ist von Pseudo-Journalisten." [1] Ja, Sie haben richtig gelesen: Recherche-Depp! Mancher hält so etwas als Beitrag zur Diskussionskultur für unverzichtbar.

Gelegentlich lässt er sogar einen Hauch von Verschwörungstheorie durch seinen Weblog wehen. [2] Konfrontation gehört zum Geschäftsmodell, Umgangsformen sind da bloß hinderlich, was er immer wieder aufs Neue bestätigt. [3] Was dabei bedauerlicherweise auf der Strecke bleibt, ist der Journalismus selbst. Von guten Recherchen ist bei ihm nämlich recht wenig zu lesen, von Beschimpfungen dafür umso mehr. Jeder bereichert eben die Debatte auf seine ganz spezielle Weise.

Er betont, "ein Saarländer ist Präsident des kurpfälzischen Polizeipräsidiums Mannheim", und bezeichnet diese Anspielung auf den dumpfen Regionalpatriotismus als Ironie. Ha, ha, ha… Nun, der eine hält das für Qualitätsjournalismus, der andere für niveaulos. Jedem wie es ihm beliebt, "Journalist" ist ja bekanntlich in Deutschland keine juristisch geschützte Berufsbezeichnung. Folglich darf sich jeder x-Beliebige Journalist nennen. Einfach so, was allerdings nicht heißt, dass im wahren Leben jeder Journalist auch wirklich ein solcher ist. Wenn ich unter Hybris leiden würde, könnte ich mich ebenfalls als Journalist bezeichnen. Doch bei mir würde man den damit verbundenen Realitätsverlust gleich erkennen, ich kann mich nicht so gut verstellen. Anderen fällt es leichter, ihre Hybris zu verbergen. Doch das nur am Rande.

Auf welche Journalisten-Schule muss man gegangen sein, um einen Polizeipräsidenten ausfallend als "Herr Dummbabbler" anzureden? [4] Oder als "Facebook-Posterboy" zu titulieren? [5] Oder als "Selfie-Polprä"? [6] Ich frage das bloß, damit sich Jüngere nicht versehentlich auf so eine Journalisten-Schule verirren, denn sie wäre der Karriere von Nachwuchs-Journalisten wohl kaum förderlich. Ich will ja nicht, dass sie ihr Talent am Ende auf einem regionalen Weblog vergeuden, anstatt beim Spiegel oder der Zeit zu reüssieren. Ein Weblog muss ständig um Aufmerksamkeit kämpfen - und kämpft gerade deshalb oft mit Anstand und Würde. Und dementsprechend auch mit der Seriosität. Blätter mit großen Buchstaben geht es ähnlich, aber sie scheinen sich, was der anspruchsvolle Leser bedauern mag, wenigstens finanziell zu lohnen.

Doch ich will Hardy Prothmann keineswegs seine Ideale absprechen, die er vielleicht einmal gehabt haben mag. Nur ist aktuell, zumindest meiner subjektiven Einschätzung nach, wenig von ihnen zu spüren.

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[1] Rheinneckarblog vom 15.10.2019
[2] siehe Nachdenken wäre hilfreich gewesen vom 31.05.2019
[3] siehe Ist das der Debattenkultur zuträglich? vom 11.02.2016
[4] Rheinneckarblog vom 16.12.2019
[5] Rheinneckarblog vom 23.03.2020
[6] Rheinneckarblog vom 26.08.2019