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27. Juli 2020, von Michael Schöfer
Das muss ich noch loswerden


"Die Polizei hierzulande setzt in kritischen Situationen auf Kommunikation. Dies gilt für Einsätze mit Einzelpersonen, aber auch in Großeinsätzen (...). Gerade bei Demonstrationen oder Fußballeinsätzen, bei denen naturgemäß die Emotionen hochkochen können, leisten unsere Anti-Konflikt-Teams herausragende Deeskalationsarbeit."

Wer hat's gesagt? Malu Dreyer? Nein, es war Rainer Wendt.
[1] Kaum zu glauben.

"Unser Leitsatz 'Unsere schärfste Waffe ist das Wort' ist ja nicht nur eine Floskel, sondern er deutet darauf hin, dass die Polizei in Deutschland bemüht ist, Konflikte möglichst durch Kommunikation und durch Deeskalation zu lösen."

Wer hat's gesagt? Malu Dreyer? Nein, auch diesmal war es Rainer Wendt. [2]

Rainer Wendt redet, wie er es gerade braucht. Auf seiner Facebook-Seite mosert er nämlich über Malu Dreyer, weil die der Polizei Deeskalation empfohlen hat. [3] Früher nannte man so ein Verhalten Opportunismus, heute in bestimmten Kreisen vermutlich "Klartext reden". Doch klar ist daran nichts. Von der Kampagne seiner konservativen Parteifreunde gegen Malu Dreyer ganz zu schweigen. [4] Armin Schuster zum Beispiel, der sich gerne als CDU-Innenexperte bezeichnen lässt, glänzt eher durch Arroganz ("Hobby-Sicherheitsexperten") als durch Argumente. [5] Lieber Herr Schuster, ich bin mächtig von Ihnen beeindruckt. Ehrlich.

Was sagen Polizeipraktiker (= Profi-Sicherheitsexperten) zur Deeskalationsstrategie? Mannheims Polizeipräsident Andreas Stenger setzt auf deeskalatives Ansprechen: "Straßenschlachten sind kein Szenario, auf das wir uns vorbereiten sollten." [6] Muss man dazu noch mehr schreiben? Nein!

Fazit: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat vollkommen recht: Bei der Polizeiarbeit steht Deeskalation im Vordergrund. Sagt auch Rainer Wendt. Beziehungsweise: Er hat es gesagt. Bevor es Malu Dreyer sagte. Seit es Malu Dreyer sagt, ist Rainer Wendt offenbar dagegen.

Ich will nicht ungerecht sein, denn wer kann sich nach acht Wochen noch daran erinnern, wem er was in den Schreibblock diktiert hat? Niemand. Nicht einmal der rechtskonservative Polizeigewerkschafter. Und wer ein schlechtes Gedächtnis hat, argumentiert eben situativ ("opportunistisch" ist ein viel zu böses Wort). So, jetzt bin ich es losgeworden.

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[1] dbb vom 04.06.2020
[2] Focus-Online vom 15.06.2020
[3] Facebook-Seite von Rainer Wendt, Post vom 27.07.2020, 05:48
[5] Twitter, @armin_schuster, Tweet vom 25.07.2020, 7:54
[6] Mannheimer Morgen vom 27.07.2020