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16. Januar 2021, von Michael Schöfer
Der rechtskonservative Rollback bleibt aus


So viel Gemeinsamkeit ist beängstigend: Die Grünen werden wohl genauso bedauern, dass es nicht Friedrich Merz geworden ist, wie der als Grünen-Fresser bekannte rechtskonservative Polizeigewerkschafter Rainer Wendt. Letzterer hatte sich ja schon vor langer Zeit klar und deutlich für Merz ausgesprochen. [1] Über die Grünen wiederum wurde landauf, landab kolportiert, dass sie sich bei der Bundestagswahl am 26. September gegen den stockkonservativen Merz bessere Chancen ausrechnen würden. Hinter vorgehaltener Hand, versteht sich.

Doch das ist nun müßig, die Würfel sind gefallen: Der rechtskonservative Rollback innerhalb der CDU bleibt aus, die Ära Merkel geht mit Armin Laschet gewissermaßen in die Verlängerung. Vermutlich wird jetzt weder bei den Grünen noch bei Rainer Wendt der Schampus aus dem Kühlschrank geholt. Andererseits ist durch die Wahl Laschets zum CDU-Vorsitzenden eine schwarz-grüne Regierungskoalition wahrscheinlicher geworden, weil sich die Grünen mit ihm in Sachpunkten leichter einig werden dürften.

Für den inzwischen 65 Jahre alten Friedrich Merz war es aller Voraussicht nach die letzte Chance, seine Karriere als CDU-Vorsitzender und Bundeskanzler fortzusetzen, denn der Kanzlerkandidat von CDU/CSU wird Armin Laschet oder Markus Söder heißen. Merz kann froh sein, wenn er, falls die Union die Wahl gewinnt, ein Ministeramt bekommt. Höchstens wenn Laschet bei der Bundestagswahl furchtbar einbrechen sollte, hat Merz vielleicht noch eine dritte Chance. Eine durch die Presselandschaft geisternde Troika mit Jens Spahn als Kanzlerkandidat und den Parteichefs Laschet und Söder als Sekundanten ist eher unwahrscheinlich, denn das würde viel zu sehr an die letztlich gescheiterte SPD-Troika Schröder-Lafontaine-Scharping erinnern. Außerdem lassen sich Laschet (59) und Söder (54) vom viel jüngeren Spahn (40) bestimmt nicht die Butter vom Brot nehmen.

Wie dem auch sei, es wird jedenfalls spannend. Die Union muss zunächst die K-Frage klären, anschließend beginnt der unter Pandemie-Bedingungen schwer ausrechenbare Wahlkampf. Aktuellen Umfragen zufolge (Forschungsgruppe Wahlen vom 15.01.2021) könnte es auf Schwarz-Grün (CDU/CSU 37 %, Grüne 20 % = 57 % - die neue GroKo) oder abermals auf Schwarz-Rot (CDU/CSU 37 %, SPD 15 % = 52 %) hinauslaufen. Schwarz-Gelb (42 %) ist momentan genauso außerhalb jeder Reichweite wie Grün-Rot-Rot (43 %). [2] Doch wer weiß schon, ob sich daran nichts mehr ändert? Keiner.

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[1] Facebook-Seite von Rainer Wendt, Post vom 27.02.2020
[2] vgl. wahlrecht.de, Sonntagsfrage der Forschungsgruppe Wahlen