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24. Mai 2022, von Michael Schöfer
Karlspreis vs. Außenhandel


Man muss froh sein, dass es so mutige Menschen gibt wie Swetlana Tichanowskaja, die sich mit bewundernswerter Kraft für Demokratie und Menschenrechte engagieren. Ohne sie sähe die Welt viel schlimmer aus. Als Deutscher denkt man, so etwas müssten wir doch unterstützen, schließlich kämpfen Menschen wie Tichanowskaja für unsere Werte. Tut Deutschland bestimmt auch.

Wer allerdings in der Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes nachschlägt, stellt überrascht fest: Das Handelsvolumen Deutschlands (Importe/Exporte) mit Belarus lag 2021 mit 2,29 Mrd. Euro 19,7 % höher als 2020 (1,91 Mrd. €). Bloß eine durch die Corona-Pandemie bedingte statistische Verzerrung? Leider nicht, das Handelsvolumen mit Belarus ist nämlich auch gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 gewachsen. Wie bitte, sanktionieren wir Lukaschenko denn nicht? Offiziell schon, doch insgeheim sind uns Geschäfte offenbar wieder einmal wichtiger als Werte.

Die zynische Realität ist: Swetlana Tichanowskaja bekommt 2022 - gemeinsam mit Maria Kalesnikava und Veronica Tsepkalo - den Internationalen Karlspreis verliehen, was uns freilich beim Handel mit ihrem Unterdrücker Lukaschenko wenig stört. Für Tichanowskaja eine Urkunde plus Medaille, für unsere Unternehmen den Außenhandelsüberschuss. Und dann muss man sich als Deutscher für sein Land abermals furchtbar schämen.