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10. September 2022, von Michael Schöfer
Da kommt mir die Galle hoch


Privilegien qua Geburt sind mir zutiefst zuwider, meiner Meinung nach sollten vielmehr individuelle Leistungen für den gesellschaftlichen Aufstieg ausschlaggebend sein. Herrschaft bedarf selbstverständlich der demokratischen Legitimation und wird lediglich auf Zeit gewährt. Das Volk ist der Souverän, keine Einzelperson.

Ich fasse es nicht, wie viele sich aktuell wieder an der Monarchie berauschen, offenbar trübt dabei die Verklärung den Blick auf die historische Wahrheit. Das privilegierte Leben von Königsfamilien wird uns als "Dienst an den Untertanen" schmackhaft gemacht - und das tumbe Volk schwenkt dazu auch noch begeistert mit Fähnchen. Was, so muss man nachdrücklich fragen, leisten denn Königshäuser wirklich für das Volk? Mir fällt da ehrlich gesagt, außer dass sie die Klatschspalten der Yellow Press füllen und dadurch zur Belustigung beitragen, nichts ein.

Der Reichtum des Adels wurde jahrhundertelang zusammengeraubt, die Untertanen dabei blutig unterdrückt und wirtschaftlich ausgepresst wie eine Zitrone. In den Zeiten der Leibeigenschaft besaßen Adlige ihre Untertanen sogar als persönliches Eigentum, konnten mit ihnen tun und lassen, was sie wollten. Und so sah deren Leben dann auch aus. Während sich die Herrschaften auf ihren ausgedehnten Landsitzen die Langeweile vertrieben und dafür sorgten, dass ihnen die gebratenen Hähnchen weiterhin wie gewohnt in den Mund flogen, waren die Untertanen schon froh, wenn sie trotz harter Arbeit genug zu essen hatten und mit Ach und Krach über den Winter kamen.

All das, was wir heute an der Demokratie so schätzen, den Rechtsstaat, die Meinungsfreiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Gewaltenteilung, freie Wahlen etc., musste man dem Adel doch erst peu à peu abpressen. Wäre es nach den blasierten Herrschaften gegangen, müssten wir noch immer vor ihnen das Knie beugen. Freiwillig haben sie auf ihre Privilegien jedenfalls nicht verzichtet. Dieser Freiheitskampf war mühselig, weil Kaiser und Könige tatsächlich glaubten, sie säßen von Gottes Gnaden auf ihrem Thron und die Despotie sei demzufolge gottgewollt. Kaiser und Könige haben ihren Völkern nicht nur die Freiheit vorenthalten, sondern zu allem Überfluss ständig Kriege entfacht und andere Völker ins Unglück gestürzt - für ein bisschen Landgewinn oder um eine andere Thronfolge durchzusetzen. Das, was wir heute an Wladimir Putin so verachten, waren in Deutschland einst die Hohenzollern: Kriegstreiber, Ausbeuter, Antisemiten, Unterdrücker.

Und wenn ich den Bohei sehe, den man jetzt um das britische Königshaus macht, kommt mir offen gestanden die Galle hoch.