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06. Januar 2023, von Michael Schöfer
Eine Runde Mitleid mit der Deutschen Post


Ver.di fordert für die 160.000 Beschäftigten der Deutschen Post 15 Prozent mehr Lohn, erwartungsgemäß weist das Unternehmen diese Forderung als "realitätsfern" zurück. [1] Das übliche Spiel bei Tarifverhandlungen eben, aber zum wiederholten Male auch die übliche Heuchelei der Unternehmensleitung. Natürlich sind 15 Prozent Gehaltsplus für die Postboten und Paketzusteller auf den ersten Blick eine horrend erscheinende Forderung, allerdings verdienen diese bekanntlich weit unter dem Durchschnitt.

Die Entgelttabellen der Deutschen Post hinterlassen bei Außenstehenden einen sehr unübersichtlichen Eindruck. [2] Paketzusteller sind dem Entgelttarifvertrag zufolge in Entgeltgruppe 3 eingruppiert [3], laut aktueller Entgelttabelle ist das bei einem neu eingestellten Paketzusteller ein Grundgehalt von mageren 2.399,97 Euro, maximal kann er in der höchsten Stufe 3.090,05 Euro erreichen. Brutto, wohlgemerkt. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Bruttogehalt eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers betrug 2021 4.100 Euro. [4] In der Paketbranche wird generell schlecht verdient: "2021 lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst in der Branche der Post-, Kurier- und Expressdienste gut 1.000 Euro unter dem Durchschnitt in der Wirtschaft insgesamt", stellt das Statistische Bundesamt fest. [5]

Demgegenüber nagt die Deutsche Post DHL Group keineswegs am Hungertuch, der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) lag 2021 laut Geschäftsbericht bei satten 7,978 Mrd. Euro. [6] Eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 64,6 Prozent, was vor allem die Aktionäre gefreut haben dürfte. Für 2022 wird sogar eine nochmalige Steigerung prognostiziert (der Geschäftsbericht 2022 steht noch aus): "Auch wenn die globale Wachstumsdynamik nachlässt, sind wir auf dem Weg, mit rund 8,4 Milliarden Euro das beste Ergebnis aller Zeiten zu realisieren", wie Frank Appel, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Post DHL Group, begeistert verkündet. [7] Für 2021 wurde eine Dividende von 1,80 Euro je Aktie ausgeschüttet, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr (1,35 € je Aktie) um 33,3 Prozent. Dem Vorstandsvorsitzenden Frank Appel ist im Geschäftsjahr 2021 eine Gesamtvergütung von 11,9 Mio. Euro zugeflossen, im Geschäftsjahr 2020 waren es dagegen 10,0 Mio., was somit eine Steigerung um 18,6 Prozent bedeutet. [8]

Kurz zusammengefasst: 2021 ist der Gewinn der Deutsche Post DHL Group gegenüber dem Vorjahr um 64,6 Prozent gewachsen, die Dividende hat um 33,3 Prozent zugelegt und die Gesamtvergütung des Vorstandsvorsitzenden um 18,6 Prozent. Aber die von Ver.di geforderten 15 Prozent für die Postboten und Paketzusteller, die unter der hohen Inflation gewiss mehr zu leiden haben als der üppig verdienende Vorstandsvorsitzende, sind natürlich "realitätsfern". Klingt irgendwie logisch, nicht wahr? Die Deutsche Post im Allgemeinen und Frank Appel im Besonderen haben sich eine Runde Mitleid redlich verdient. Wer ein Papiertaschentuch zur Hand hat, darf sich jetzt damit die Tränen abwischen.

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[1] tagesschau.de vom 06.01.2023
[2] siehe Ver.di, PDF-Datei mit 801 KB
[3] stern.de vom 18.07.2019 und Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG vom 18. Juni 2003, Seite 32, PDF-Datei mit 504 KB
[4] Statistisches Bundesamt, Verdienste 2021
[5] Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 14.12.2022
[6] Deutsche Post DHL Group, Geschäftsbericht 2021, Seite 2, PDF-Datei mit 5,2 MB
[7] Handelsblatt vom 08.11.2022
[8] Deutsche Post DHL Group, Vergütungsbericht 2021, Seite 20, PDF-Datei mit 837 KB