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| Impressum 11. Januar 2023, von Michael Schöfer Wo ist Putins Plan B? Hat Wladimir Putin eigentlich einen Plan B? Es ist bekanntlich furchtbar töricht, nur auf Plan A zu vertrauen, denn es ist ja keineswegs ausgeschlossen, dass er - aus welchen Gründen auch immer - nicht funktioniert. Putin hat obendrein alles dafür getan, die Umsetzung von Plan A selbst zu vereiteln. Der russische Präsident kommt aus der Schule des KGB und ist vom Geheimdienst geprägt worden, ihm sind die Mittel der Einschüchterung, Täuschung und Gewaltanwendung also bestens vertraut. Und wir wissen aus Erfahrung, dass er auf dieser Klaviatur gerne und ausgiebig spielt. Im Vorfeld des Ukraine-Krieges hat der russische Präsident dem Westen auf diplomatischem Weg ultimativ Bedingungen gestellt, die er durch den Aufmarsch seiner Truppen an der russisch-ukrainischen Grenze untermauerte. Zentrale Forderung: Rückzug der Nato auf den Stand von 1997, was der Preisgabe der östlichen Bündnismitglieder und deren Souveränität gleichgekommen wäre. Doch die Einschüchterung scheiterte. War Putin nicht von Anfang an klar, dass dies für den Westen völlig unannehmbar ist? Wer lautstark Ultimaten stellt, muss die darin formulierten Ziele notfalls durchfechten, sonst verliert er sein Gesicht. Das hat der Kremlherrscher (falls er nicht von vornherein auf Krieg aus war) zumindest versucht, allerdings er konnte bislang weder seine politischen (Austausch der Führung in Kiew, Entwaffnung der Ukraine, Annexion des Donbass etc.) noch seine militärischen Ziele verwirklichen. Jetzt sind die Verluste der russischen Armee hoch, der politische Flurschaden vor allem wegen den in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen immens und die langfristigen ökonomischen Aussichten seines Landes durch die westlichen Sanktionen düster. Als 1914 der Schlieffen-Plan scheiterte, gab es ebenfalls keinen Plan B, was dann in ein bis dahin ungekanntes Gemetzel mündete, welches bis 1918 andauerte und die Welt stark veränderte. Was ist Putins Plan B? Es ist ja ziemlich leicht, einen Krieg zu beginnen, aber wie kommt man aus ihm wieder heraus? Und das möglichst heil. Wenn man Plan A nicht realisieren kann, sollte man einen Plan B in der Hinterhand haben, denn schon die Römer wussten: "Was auch immer du tust, handle klug und bedenke das Ende." Nach heutigem Stand muss man konstatieren: Putin hat weder klug gehandelt noch das Ende bedacht. Vermutlich wird er wie viele ideologiefixierte und beratungsresistente Diktatoren unbeirrt an den Sieg glauben - bis ihm dann aufgrund mangelnder Ressourcen die Luft ausgeht und die Niederlage droht. Putin hat sich in eine Sackgasse manövriert. Er kann die Ukraine nicht mehr erobern, aber auch seine diplomatischen Möglichkeiten sind mittlerweile extrem limitiert. Wer würde mit ihm, der zahlreiche Verträge gebrochen hat und ständig Lügen verbreitet, noch einen Friedensvertrag abschließen? Keine westliche Regierung vertraut ihm - vermutlich nicht einmal seine Diktatorenfreunde in Belarus und China. Die Welt ist durchaus bereit, vieles murrend hinzunehmen: Die völkerrechtswidrige Besetzung von Nordzypern durch die Türkei wird seit 1974 faktisch ebenso toleriert wie die Besetzung der durch Israel 1967 eroberten Gebiete. Der Status quo ist zwar ärgerlich, aber die Weltgemeinschaft spielt notgedrungen auf Zeit und wartet auf eine noch unbestimmte Lösung. Genau diesen Weg hat sich Putin völlig verbaut. Die Annexion des Donbass werden nämlich weder die Ukraine noch der Westen akzeptieren, dazu sind die in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen viel zu schlimm. Putin ist auf Dauer diskreditiert. Viele glaubten bis vor kurzem, Putin sei ein gerissener Politstratege. Wegen des evident stümperhaften Plans A und des offenkundig fehlenden Plans B muss man diese Bewertung nun revidieren. In meinen Augen ist Putin bloß ein Dilettant. Zweifellos ein gefährlicher Dilettant, den man keinesfalls unterschätzen sollte, aber bestimmt kein weiser Anführer, der wie ein brillanter Schachspieler alle möglichen Züge sorgfältig durchdenkt, bevor er handelt. Das war offenbar lediglich das von der russischen Propaganda gezeichnete und vom Westen leichtfertig übernommene Bild. Das Fehlen von Plan B impliziert jedoch, dass keiner weiß, wie der Ukraine-Krieg einmal enden wird. Das macht die Situation so brisant, denn scheiternde Diktatoren reißen erfahrungsgemäß gerne ihr ganzes Volk mit in den Abgrund. Und oft genug nicht nur ihr eigenes. |