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25. April 2023, von Michael Schöfer
Renaissance des Kommunismus?

Die einen träumen von einer Renaissance der Atomenergie, die anderen sind offenbar für eine Renaissance des Kommunismus. Zumindest Letztere haben gerade bei der Landtagswahl im österreichischen Bundesland Salzburg mit erstaunlichen 11,66 Prozent die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) gewählt. Genauer: die KPÖ PLUS. In der Landehauptstadt Salzburg waren es sogar 21,51 Prozent. In Graz, der Landeshauptstadt des Bundeslandes Steiermark, stellt die KPÖ seit November 2021 mit Elke Kahr die Bürgermeisterin, bei der Gemeinderatswahl bekam sie nämlich satte 28,84 Prozent und wurde im Gemeinderat stärkste Partei. Die überzeugte Marxistin hat sich den Ruf einer Kümmerin erworben, die Grazer KPÖ will eine bürgerorientierte Politik betreiben. Den gleichen Ansatz verfolgt auch die KPÖ in Salzburg. Und anscheinend meinen sie es ernst. Ob die hehren Ansprüche später in der Realität eingelöst werden, steht freilich auf einem anderen Blatt. Wie es guter demokratischer Brauch ist, wird das Wahlvolk beim nächsten Mal darüber befinden.

In Deutschland blieb der Wahlerfolg der KPÖ weitgehend unbeachtet. Natürlich ist die politische Entwicklung in Österreich nicht mit der in Deutschland vergleichbar, dennoch gibt es auch hier immer wieder Gerüchte über die Gründung einer neuen linken Partei durch Sahra Wagenknecht. Wer sich indes das Interview mit KPÖ-Landessprecher Kay-Michael Dankl im österreichischen Fernsehen ansieht [1], bemerkt sofort den Unterschied, etwa in der Haltung zu Russland oder Kuba. Dankl betont klar und deutlich, mit Diktaturen nichts am Hut zu haben, er setze sich vielmehr für mehr Demokratie ein. Ein nicht unerheblicher Teil der Wählerinnen und Wähler scheint es ihm zu glauben.

Was sind die Ursachen dieses Erfolgs? Die Antwort ist einfach: Die etablierten Parteien sind offenbar unfähig, die Probleme zu lösen, die den Bürgern unter den Nägeln brennen. In erster Linie sind das in Österreich - wie bei uns - die horrenden Mieten, die sich Durchschnittsverdiener schlicht und ergreifend nicht mehr leisten können. Salzburg ist für die Salzburger zu teuer geworden. "Für 70 Quadratmeter zahlt man in Salzburg im Schnitt 1.300 Euro", rechnet Dankl vor. Die etablierten Parteien machen seinen Worten zufolge zwar vor der Wahl immer große Versprechungen, die sie aber nach der Wahl heimlich, still und leise wieder in der Schublade verschwinden lassen. Wie dem auch sei, jedenfalls sehen das 11,66 Prozent genauso. Gewiss, 11,66 Prozent sind keine Mehrheit, aber ein Warnsignal. (Vorsicht bei der Einordnung: In Österreich führt momentan landesweit in Umfragen immer noch die rechte FPÖ vor der konservativen ÖVP.) Wenn die Parteien an beiden Rändern des politischen Spektrums zulegen, müssten eigentlich sämtliche Alarmglocken läuten.

Es rumort unüberhörbar. Nicht nur in Österreich, sondern beispielsweise ebenso in Berlin, denn dort gibt es bei den Mieten eine ähnlich desaströse Entwicklung wie in Salzburg. Berlin ist inzwischen auch den Berlinern zu teuer geworden. Selbstverständlich müssen alle demokratischen Parteien imstande sein, miteinander zu reden und ggf. eine Regierung zu bilden, insofern ist nichts gegen die neue schwarz-rote Koalition in der Bundeshauptstadt einzuwenden. Aber man würde von Franziska Giffey trotzdem gerne wissen, was sich durch die Hinwendung ihrer SPD zur CDU konkret ändert, etwa für die Mieter und die Wohnungssuchenden. Was ist mit dieser CDU besser zu realisieren als mit Grünen und Linken? Giffey wird sich daran messen lassen müssen, ob den großen Worten im Koalitionsvertrag [PDF-Datei mit 1,5 MB] auch entsprechende Taten folgen. Ändert sich wenig, orientiert sich die Politik weiterhin hauptsächlich an den Interessen des Establishments, wird diese Koalition nicht nur scheitern, sondern obendrein die Demokratie erschüttern, weil folgenloses Blabla die Menschen in die Verzweiflung treibt. Und verzweifelte Menschen sind bekanntlich Gift fürs politische Klima.

Die Politik sollte die Unzufriedenheit keinesfalls unterschätzen. Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn! (Goethe) Dass die Vermögen hierzulande extrem ungleich verteilt sind, ist keine neue Erkenntnis. Die oberen 10 Prozent haben am Gesamtvermögen einen Anteil von 56 Prozent, während die unteren 50 Prozent bloß auf 3 Prozent kommen (Stand 2021). Sagen die Kommunisten? Nein, das sagt die altehrwürdige Deutsche Bundesbank in ihrem neuen Monatsbericht. [2] Doch für wen wird Politik gemacht? Nur eine Zahl: Der Vorstand des Wohnungskonzerns Vonovia, dem hierzulande gut 487.000 Wohnungen gehören (davon allein in Berlin 144.000), hat der Hauptversammlung vorgeschlagen, den Anteilseignern für das Geschäftsjahr 2023 eine Dividende von 676,5 Mio. Euro auszuzahlen. [3]

Wenigstens den Aktionären geht es prächtig, was allerdings die Mieter kaum tröstet, schließlich bezahlen sie die Dividende mit ihren Mieten. Kleines Schmankerl am Rande: Der Marktführer hat angekündigt, alle Neubauprojekte zu stoppen. [4] Nicht schlimm, die Mietpreise steigen ja auch ohne neue Wohnungen. Im Gegenteil, je knapper der Wohnraum, desto mehr kann man verlangen. Der Wohnungsmarkt tendiert prinzipiell zur Knappheit, nicht zum Überangebot, weil letzteres die Mieten sinken lassen würde. Welcher Vermieter ist an sinkenden Einnahmen interessiert? Eben! Doch Wohnungen sind keine Ware wie jede andere, bezahlbarer Wohnraum ist ein Menschenrecht. Und wer an den schlimmen Zuständen tatsächlich etwas ändern will, muss zwangsläufig an liebgewordene Besitzstände ran, zum Beispiel die obszöne Bodenspekulation beenden. Das geht naturgemäß nicht über Nacht, doch man muss endlich einmal damit anfangen. Weiterhin bloß mit Wattebällchen werfen, d.h. faktisch wirkungslose Instrumente wie die Mietpreisbremse zu Tode reiten, ist - siehe Salzburg - kontraproduktiv.

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[1] Der Standard vom 25.04.2023
[2] Deutsche Bundesbank, Monatsbericht April 2023
[3] Vonovia, Geschäftsbericht 2022, PDF-Datei mit 2 MB
[4] t-online vom 01.02.2023

Nachtrag (26.04.2023):
Eine Analyse des Standard bestätigt, dass der Wahlerfolg der KPÖ vor allem auf den starken Anstieg der ohnehin bereits hohen Mieten zurückzuführen ist: "In jenen Salzburger Bezirken, in denen die Kommunisten gut abschneiden konnten, waren auch die Nettomietpreise ab 2018 sehr stark gestiegen. (…) In Salzburg-Stadt legten sie zwischen 2018 und 2022 um 17,7 Prozent zu, in Salzburg-Umgebung um 16,2 Prozent." [5]

[5] Der Standard vom 26.04.2023