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27. April 2023, von Michael Schöfer
Südafrika nun an der Seite des Aggressors stehen zu sehen, tut weh

(eine E-Mail an die Botschaft der Republik Südafrika in Berlin)

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Botschafter der Republik Südafrika,

ich bin jetzt Rentner, war aber vorher viele Jahrzehnte als Angestellter bei der Polizei in Baden-Württemberg beschäftigt. 1984, als in Ihrem Land noch das Apartheid-Regime an der Macht war, erschien in der Mitglieder-Zeitschrift der International Police Association (IPA) auf Seite 17 ein kleiner Hinweis auf die IPA-Sektion Südafrika. Im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten wandte ich mich damals gegen das rassistische Apartheid-System, kaufte u.a. wegen des Boykottaufrufs von Menschenrechtsorganisationen keine Früchte aus Südafrika. Die Kontakte von Angehörigen der deutschen Polizei zu Angehörigen der südafrikanischen Polizei empörten mich, denn deutsche Polizeibeamte sollten sich für Demokratie und Rechtsstaat engagieren und keine Kameradschaft mit den Handlangern der Unterdrücker pflegen. Den Bericht in der "IPA aktuell" nahm ich zum Anlass, einen Brief an die deutsche IPA-Sektion zu schreiben. [PDF-Datei mit 205 KB] Wie Sie sich denken können, habe ich mich damit seinerzeit bei meinen Vorgesetzten ziemlich unbeliebt gemacht. Ich habe auch nie eine Antwort erhalten. Dies bloß einleitend zu meinem persönlichen Hintergrund.

Die - mittlerweile wieder zurückgenommene - Ankündigung Ihres Präsidenten Cyril Ramaphosa, die Mitgliedschaft Ihres Landes beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu kündigen, hat mich offen gestanden entsetzt. Natürlich folgt Südafrika, wie jedes andere Land, seinen eigenen Interessen, die nicht immer mit denen des Westens identisch sind. Aber vor dem Hintergrund der südafrikanischen Geschichte wundert es mich doch sehr, dass Ihr Land auf der Seite Russlands zu stehen scheint, denn Moskau greift entgegen den Verpflichtungen der UN-Charta (Gewaltverbot) ein anderes Land militärisch an und will dessen Bürgerinnen und Bürger unterjochen. In Südafrika wurden Menschen wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert, Russland will sich die Ukraine einverleiben und den Ukrainern die Selbstbestimmung vorenthalten. Russland begeht dort Kriegsverbrechen und missachtet die Menschenrechte.

Noch viel mehr wundert mich, dass Südafrika den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Wladimir Putin in Schutz zu nehmen scheint. Seine Verhaftung beim bevorstehenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten trotz eines Haftbefehls des IStGH nicht zu vollziehen, entspräche meiner Meinung nach wohl kaum den Idealen des südafrikanischen Befreiungskampfes und den Idealen Nelson Mandelas ("Frei zu sein bedeutet nicht nur, seine eigenen Fesseln zu lösen, sondern ein Leben zu führen, das auch die Freiheit anderer respektiert und fördert"). Heute ist das zum Beispiel die Freiheit der Menschen in der Ukraine. Südafrika nun an der Seite des Aggressors stehen zu sehen, tut weh. Südafrika nun nicht auf der Seite des Völkerrechts stehen zu sehen, schmerzt genauso. Dass die Sowjetunion ehedem auf der Seite des ANC stand, ist in meinen Augen keine Rechtfertigung. Ich habe mir 1984 die Zukunft Ihres Landes nach der - damals noch unerreichbar erscheinenden - Befreiung vom Joch der Apartheid anders vorgestellt. Und viele Freunde Südafrikas wohl ebenfalls.

Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihrer Regierung berichten würden, dass die Haltung Ihres Landes selbst bei einfachen Bürgern Deutschlands auf großes Unverständnis stößt.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schöfer