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15. Juni 2023, von Michael Schöfer
Mein Michel, schlaf' ruhig weiter


Die SWR-Sendung "betrifft" vom 14. Juni 2023 ist eine Reportage ganz nach dem Geschmack von Zynikern. Motto: Jammert nicht, ihr erntet jetzt bloß die Auswirkungen eurer Ignoranz, schließlich war euch das Geprotze mit dem Gaspedal (schneller, breiter, schwerer) immer wichtiger. Freie Fahrt für freie Bürger. Thema der Sendung war die anhaltende Dürre in Deutschland: "Was tun, dass der Südwesten nicht austrocknet?" Warnung: Depressive sollten sie sich ersparen.

Hierzulande ist es, wie in vielen anderen Teilen Europas, seit etlichen Jahren viel zu trocken, die Regenmengen gingen dramatisch zurück und reichen nicht mehr aus, um den Grundwasserspiegel zu halten. Quellen sind versiegt. Folge: Die Wälder leiden unter Trockenstress und drohen großflächig abzusterben. Von den Problemen für die Landwirtschaft ganz zu schweigen.

Der vom Fernseh-Wetterbericht her bekannte Meteorologe Sven Plöger weist in aller Deutlichkeit auf die Relevanz der Alpen und deren Gletscher für unsere Wasserversorgung hin: "Durch den Klimawandel sind die Gletscher nicht mehr in Balance, das heißt sie verlieren über lange Zeit immer mehr Eis, sie ziehen sich zurück. All das beobachten wir seit Jahren. Und Flusspegel wie der Flusspegel des Rheins sind zentral abhängig, gerade im Sommer. 60 Prozent des Rheinwassers wird in den Alpen generiert, durch die Niederschläge und eben durch die sommerliche Gletscherschmelze. Und das bedeutet, wenn der Gletscher irgendwann mal weg ist oder viele Gletscher weg sind, ein Gletscher der weg ist kann kein Wasser mehr liefern, ist das für die Pegel unserer Flüsse in Zukunft natürlich ein Riesenproblem." (Min. 32:25) Mein Michel sieht's trotzdem locker (dazu später mehr).

Rosemarie Heilig, der Umweltdezernentin von Frankfurt am Main, geht die Trockenheit sichtlich an die Nieren. Über 95 Prozent der Bäume sind hier krank. "Es ist eine Katastrophe. Der Stadtwald stirbt vor unseren Augen. Das tut er, das können Sie ja sehen. Es ist wirklich dramatisch. (...) Wir kommen in zwei Jahren hierher, dann stehen hier keine Bäume mehr", prophezeit sie mit Tränen in den Augen. Auch sie warnt eindringlich: "Es gibt den Spruch: Erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch." (Min. 24:47) Als Diplom-Biologin kennt sie die Zusammenhänge in der Natur genau.

Leider keine neue Erkenntnis, denn vor dem Klimawandel wird bekanntermaßen schon seit Jahrzehnten gewarnt. "Eine zunehmende Erwärmung der Oberfläche wird zu erhöhter Verdunstung und damit zu - im globalen Durchschnitt - mehr Niederschlägen führen. Trotz dieser Zunahme könnte es in einigen Regionen durchaus zu einer Abnahme der Regenfälle kommen. (…) Eine Klimaveränderung wird wahrscheinlich eine wachsende Zahl von Katastrophen nach sich ziehen." [1] 30 Jahre ist das nun her, genutzt hat es so gut wie nichts, denn unterdessen ist der CO2-Anteil in der Erdatmosphäre von 355,70 ppm (parts per million) auf 418,56 ppm gestiegen. Tendenz: weiter steigend. [2]

Die Funktion der Wälder (in den tropischen u. gemäßigten Breiten) lässt sich in knappen Sätzen zusammenfassen: "Der Rückgang der bewaldeten Flächen bedeutet nicht nur, daß die Basis für Holzprodukte mehr und mehr verlorengeht; das Problem ist aus mehreren Gründen viel umfassender. Ein Wald ist schon ohne direkte Nutzung eine Ressource mit lebenswichtigen Funktionen, die nach wirtschaftlichen Maßstäben nicht bewertbar sind. Waldungen schaffen Böden, mildern klimatische Schwankungen, halten Niederschläge zurück, schützen damit vor Überschwemmungen und wirken Dürreperioden entgegen. Sie federn die Erosionswirkung von Niederschlägen ab, festigen den Boden in geneigtem Gelände und halten Wasserläufe und Küsten weitgehend frei von Schlamm und Sedimenten. Sie beherbergen und unterhalten die Mehrzahl aller biologischen Arten." [3] All das ist nun in Gefahr.

Mein Michel, pennst du? Seit Jahrzehnten? Anscheinend, den deutlich spürbaren Folgen des Klimawandels zum Trotz sind nämlich bei dir SUVs (die Straßenpanzer) äußerst beliebt. Laut KBA hatten die im Mai 2023 bei den Neuzulassungen einen Anteil von 29,7 Prozent. Mein Michel, dein beliebteste Spielzeug-Segment, weit vor allen anderen. Gar kein schlechtes Gewissen? Ah, ich weiß, du zerrst lieber Klimaaktivisten von der Straße und diffamierst sie als "kriminelle Vereinigung" oder "Klima-RAF". Nicht die Waldzerstörer (CO2-Emittenten) gehören in den Knast, sondern die lästigen Straßenkleber. Mein Michel, du hast schon immer die richtigen Prioritäten zu setzen gewusst. Wie beim Heizen. Wer an den hohen Treibhausgasemissionen der Raumwärme etwas ändern will, bevormundet dich mit dem "Heiz-Hammer". Hubert Aiwanger rät: Hol' dir die Freiheit zur Umweltzerstörung zurück, bevor die dämliche Regierung in Berlin womöglich noch die Wälder rettet. Weg mit der "Heizungs-Ideologie", dem "Gender-Wahn" und dem veganen Schnitzel. Solange bei meinem Michel das Weizenbier auf dem Tisch steht, kann ihm die Trockenheit wurscht sein.

Mein Michel, schlaf' ruhig weiter.

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[1] Greenpeace, Global Warming, deutsche Ausgabe: München 1991, Seite 99 und 223
[2] National Oceanic and Atmospheric Administration, Trends in Atmospheric Carbon Dioxide, Mauna Loa CO2 annual mean data
[3] Donella u. Dennis Meadows/Joergen Randers, Die neuen Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1992, Seite 89f