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19. Juni 2023, von Michael Schöfer
Von Brillanz war bei Pechstein nichts zu sehen


Wenn der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz den Auftritt von Claudia Pechstein auf dem CDU-Grundsatzkonvent als "brillant" bezeichnet, sagt das zunächst mehr über das Urteilsvermögen von Merz aus als über die Redekunst von Pechstein. Wer sich die Rede unvoreingenommen anhört, wird ihr wohl kaum Brillanz attestieren. Aber darüber darf man durchaus geteilter Meinung sein.

Dennoch bleiben Fragen: "Ich bin kein CDU-Mitglied. Ich war bei der CDU zu Gast - und zwar als Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin", soll sie der Bild-Zeitung gesagt haben. [1] In ihrer Rede sagt sie jedoch ganz am Ende (ab Min. 6:30) "Wenn wir aufhören, die Familienpartei im Lande zu sein, dann werden wir auch nicht mehr Volkspartei in Deutschland sein." Auf wen bezieht sich dieses "wir", wenn Pechstein doch angeblich kein Parteimitglied ist? [2] Dieses "wir" ergibt nach meinem Verständnis im vorliegenden Kontext nur Sinn, wenn man es im Sinne von Parteimitgliedschaft interpretiert. Würde ein Nichtmitglied auf einer CDU-Veranstaltung von "wir" sprechen, wenn die CDU gemeint ist? Wie dem auch sei, es gibt jedenfalls noch viel wichtigere Fragen.

Es stellt sich nämlich insbesondere die, für wen Pechstein dort gesprochen hat. Für Claudia Pechstein als Privatperson? Oder ausweislich ihrer Uniform für die Bundespolizei? Das ist dem unbefangenen Zuschauer völlig unklar. Behörden unterliegen jedoch dem Neutralitätsgebot. "Staatsorgane haben als solche allen zu dienen und sich neutral zu verhalten", schreibt das Bundesverfassungsgericht vor. "Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität. Der Prozess der politischen Willensbildung ist nicht auf den Wahlkampf beschränkt, sondern findet fortlaufend statt. (…) Das Gebot staatlicher Neutralität gilt (...) für sämtliche Betätigungen der Parteien, die auf die Erfüllung des ihnen durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zugewiesenen Verfassungsauftrags gerichtet sind." [3] Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG handelt von der "politischen Willensbildung des Volkes".

Der Bundespolizei steht es daher gar nicht zu, in die zwischen den Parteien umstrittene Asylpolitik meinungsbildend einzugreifen, um dadurch die politische Willensbildung des Volkes zu beeinflussen. Das Gleiche dürfte auch für eine Bundespolizistin in Uniform gelten, weil die Uniform den Eindruck erwecken könnte, sie spreche dort in offiziellem Auftrag ihrer Behörde. Beides, die private und die dienstliche Sphäre, ist strikt voneinander zu trennen.

"Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei", heißt es obendrein in § 60 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz. Und Absatz 2 verlangt: "Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben." [4] Wenn sich die Bundespolizistin Claudia Pechstein auf dem CDU-Grundsatzkonvent in Uniform für eine härtere Gangart bei den Abschiebungen ausspricht, ist das dann noch die gesetzlich vorgeschriebene Mäßigung und Zurückhaltung?

Es bleibt der Privatperson Claudia Pechstein selbstverständlich unbenommen, eine politische Meinung zu vertreten. Solange sie sich dabei gemäß den beamtenrechtlichen Vorgaben auch privat jederzeit "zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes" bekennt (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 Bundesbeamtengesetz), ist das vollkommen in Ordnung. Und natürlich darf die Privatperson Pechstein auch für mehr Abschiebungen eintreten, sie betont ja ausdrücklich, dies auf rechtsstaatlichem Wege anzustreben. Wenn sie es allerdings in Uniform auf einer Parteiveranstaltung macht, überschreitet sie m.E. eine rote Linie.

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[1] Bild.de vom 18.06.2023
[2] Youtube, Uniform-Rede bei der CDU: Claudia Pechstein über Asyl- und Sicherheitspolitik
[3] BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 15.06.2022- 2 BvE 4/20
[4] dejure.org, Bundesbeamtengesetz