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21. Juli 2023, von Michael Schöfer
Rational nicht zu erklären


Der Mensch ist ein schizophrenes Wesen. Nein, es geht ausnahmsweise einmal nicht um Markus Söder, der zwar ständig über das "Klimaland Bayern" schwadroniert [1] und mit treuherzigem Augenaufschlag beteuert, er wolle die Wende bei der Windenergie einleiten [2], dann aber in seinem Beritt im ersten Halbjahr 2023 läppische fünf Windkraftanlagen hinbekommt [3]. Fünf! Schlusslicht in Deutschland (bundesweit waren es 331). Mehr Blamage ist kaum möglich. So wird das nichts, mit der für 2040 versprochenen bayerischen Klimaneutralität. Aber das war auch zu erwarten, schließlich hat sich Söder seinen Ruf als Schaumschläger nicht ohne Grund verdient.

Es geht vielmehr um den aktuellen ARD-Deutschlandtrend, dort wurden nämlich auch Fragen zum Thema Wassermangel gestellt, denn 2023 verspricht (nach 2018, 2019, 2020 und 2022) abermals ein Dürrejahr mit viel zu geringen Niederschlägen zu werden. Der Juni 2023 war weltweit der heißeste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, und der Juli 2023 ist ebenfalls auf dem besten Weg zu einem neuen Spitzenwert: Hitzerekord in China mit 52,2 Grad Celsius, Hitzerekord in Rom mit 41,8 Grad Celsius, Hitzerekord in Phoenix/Arizona mit 46,7 Grad Celsius, Hitzerekord auf Mallorca mit 43,9 Grad Celsius, Hitzerekord in Figueres/Katalonien mit 45,4 Grad Celsius… Die Sorge der Befragten, dass durch den Klimawandel bald viele Wälder vertrocknen (72 %), zu wenig Wasser für Landwirtschaft (63 %) und zu wenig Trinkwasser (55 %) zur Verfügung steht, ist in der Tat berechtigt. [4]

Auf der anderen Seite hatten die SUVs im ersten Halbjahr 2023 bei den Neuzulassungen einen Anteil von 29,5 Prozent - weit vor allen anderen Segmenten. [5] Im Schnitt verbrauchen allerdings SUVs mehr Sprit als Kleinwagen, demzufolge emittieren sie auch mehr Treibhausgase. Ein Beispiel: Der im Juni 2023 meistverkaufte Kleinwagen war der Opel Corsa, der laut KBA in der Benzinversion 5,1 Liter/100 km verbraucht und 118,6 g CO2/km emittiert. Beim meistverkauften SUV, dem VW T-ROC, sind es hingegen 6,3 Liter/100 km und 146,2 g CO2/km. [6] Legen wir die für Neufahrzeuge durchschnittliche Jahresfahrleistung eines neuen Benziners zugrunde (2022: 11.743 km), macht sich der Unterschied deutlich bemerkbar: Der Opel Corsa verbraucht im Schnitt 599 Liter/Jahr (= 1.392,7 kg CO2), der VW T-ROC jedoch 740 Liter/Jahr (= 1.716,8 kg CO2). Im Laufe eines 10-jährigen Fahrzeuglebens emittiert man mit dem VW rechnerisch 3,2 Tonnen CO2 mehr als mit dem Opel. Von den Mehrausgaben fürs Benzin ganz zu schweigen. Wozu? Wegen dem Image?

Warum bringen die Menschen in ihren Köpfen das eine, die begründete Angst vor der drohenden Wasserknappheit, nicht mit dem anderen, der individuellen Kaufentscheidung bei Kraftfahrzeugen, in Einklang? Es liegt doch auf der Hand, dass die CO2-Emissionen ihrer Autos etwas mit der zunehmenden Dürre und Hitze zu tun haben. Es geht keineswegs darum, aus Deutschland ein Land der Lastenfahrräder zu machen, aber muss es wirklich unbedingt ein SUV sein? Tut es ein kleineres, spritsparenderes Auto nicht auch? Kommt man mit dem nicht ebenfalls von A nach B? In meinen Augen ist das rational nicht zu erklären.

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[1] Bayerische Staatsregierung, Regierungserklärung Klimaland Bayern vom 21.07.2021
[2] Süddeutsche vom 13.12.2022
[3] Süddeutsche vom 19.07.2023, Printausgabe, Seite 13
[4] tagesschau.de vom 20.07.2023
[5] KBA, Neuzulassungsbarometer im Juni 2023, Personenkraftwagen im Juni 2023 nach ausgewählten Segmenten
[6] KBA, Monatliche Neuzulassungen Juni 2023, Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern - Monatsergebnisse, Juni 2023 (FZ 8), Excel-Datei mit 347 KB