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23. Juli 2023, von Michael Schöfer
Da schwillt einem zu Recht der Kamm


Wer sich fragt, warum viele Menschen wütend sind, braucht sich bloß ein paar Zahlen vor Augen halten: 1.543 Euro - so viel Rente bezieht hierzulande im Schnitt ein Arbeitnehmer nach 45 Versicherungsjahren. Im Westen (1.605 €) mehr als im Osten (1.403 €). [1] Das sind wohlgemerkt nur Durchschnittsangaben, wie fast überall gibt es auch bei der Rente große Unterschiede, die tatsächlich ausgezahlten Renten (nicht jeder verdient durchschnittlich, nicht jeder kommt auf 45 Versicherungsjahre) sind oft niedriger. Und davon sollen die Menschen leben? Trotz Inflation und explodierenden Mieten?

Das Rentenniveau (Höhe der Rente nach 45 Jahren Beitragszahlung auf der Basis eines durchschnittlichen Einkommens) beträgt derzeit 48,15 Prozent [2], im Jahr 2000 waren es noch rund 53 Prozent [3]. Danke, SPD. Danke, Gerhard Schröder. Wie die Riesterrente, die vor allem die Versicherungen reich gemacht hat, ist die Absenkung des Rentenniveaus auf dem Mist der Sozialdemokraten gewachsen.

Im Gegensatz dazu können Beamte bei der Pension bis zu 71,75 Prozent ihrer letzten ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (= Bruttogehalt) erreichen, sind also im Alter im Vergleich zu Rentnern wesentlich üppiger ausgestattet. Es kommt aber noch besser, es gibt nämlich bei den Beamten auch eine Mindestpension, in Baden-Württemberg beträgt sie derzeit gemäß § 27 Abs. 4 Satz 2 und 3 LBeamtVGBW 1.863,49 Euro. [4] Und diesen Anspruch haben Beamte bereits nach fünf Jahren Dienstzeit.

Die Paragraphen des Beamtenversorgungsrechts sind so kompliziert, dass sich ihr Inhalt Laien kaum erschließt. Man könnte unterstellen, das sei bewusst so gemacht worden, denn andernfalls würden Rentner angesichts ihrer krassen Benachteiligung auf die Barrikaden gehen. Wie dem auch sei, die Realität sieht jedenfalls so aus:

Arbeitnehmer: 1.543 Euro Rente nach 45 Versicherungsjahren
Beamte: 1.863 Euro Mindestpension nach 5 Dienstjahren

Und der Clou ist: Arbeitnehmer bezahlen ihre Rente bekanntlich über die Rentenbeiträge selbst. Sie dürfen dann aber obendrein auch noch mit ihren Steuern die Pensionen der Beamten finanzieren, denn eigene Beiträge zu ihrer Altersversorgung leisten Beamte keine. Pensionen werden über die Staatshaushalte aus dem Steueraufkommen bezahlt. Wenn dann noch (oft genug aus den Reihen der bestens versorgten Beamten) Vorschläge kommen, wie etwa eine weitere Kürzung des Rentenniveaus oder die Erhöhung des Renteneintrittsalters, schwillt einem zu Recht der Kamm. Solange die Politik unfähig oder unwillig ist, derart krasse Ungerechtigkeiten zu beseitigen oder wenigstens abzumildern, wird sich die Stimmung sicherlich nicht bessern.

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[1] tagesschau.de vom 23.07.2023
[2] Deutsche Rentenversicherung vom 26.04.2023
[3] Deutsche Rentenversicherung vom 23.11.2018
[4] LBV BW, Mindestversorgungsbezüge des Landes Baden-Württemberg, PDF-Datei mit 464 KB