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23. Oktober 2023, von Michael Schöfer
Unglaublich: Friedrich Merz rehabilitiert Thilo Sarrazin


Dieser CDU-Vorsitzende wird immer peinlicher: Friedrich Merz "verteidigte (...) den aus der SPD ausgeschlossenen umstrittenen Politiker Thilo Sarrazin, der vor der Einwanderung von zu vielen Muslimen gewarnt hatte. Die SPD hätte besser auf diesen hören sollen als ihn auszuschließen." [1]

Erinnern wir uns kurz daran, was Thilo Sarrazin vor gut einem Jahrzehnt gesagt hat und letztlich zu seinem Parteiausschluss führte, die österreichische Tageszeitung oe24 brachte es seinerzeit mit einem Satz auf den Punkt: "Muslime sind dümmer, kriegen zu viele Kinder, arbeiten weniger als andere Zuwanderer und leben von deutscher Sozialhilfe wie Gott in Frankreich." [2] Insbesondere Sarrazins Verknüpfung von Dummheit und der Anzahl der Kinder beinhaltete eine rassistische Komponente: "Es gebe 'eine unterschiedliche Vermehrung von Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Intelligenz'", behauptete der gelernte Volkswirt. [3] Das konnte man nur so interpretieren: Muslime sind weniger intelligent, weil Intelligenz zu 50 bis 80 Prozent vererbt werde.

Selbst die damalige Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel distanzierte sich entschieden: "Solche schlichten Pauschalurteile sind dumm und nicht weiterführend." [4] Der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnete Sarrazin gar als "Hobby-Darwinist", der für die SPD nicht tragbar sei. [5]

Doch nicht nur Politiker, vor allem Fachexperten widersprachen ihm deutlich: "Das ist ein ausgemachter Unsinn. Man kann nicht behaupten, dass türkischstämmige Menschen generell dümmer sind. In allen Bevölkerungen findet sich eine Streuung - es gibt kluge Menschen und weniger intelligente. Das ist bei Deutschen nicht anders als bei Türken, Italienern oder Griechen", stellte etwa der Humangenetiker André Reis fest. [6] "Wissenschaftler bescheinigten Sarrazin, ein Eugeniker zu sein, also jemand, der 'Rassenhygiene' propagiert, was ihn in die Nähe nationalsozialistischer Ideologie rückt." [7] Beim Parteiausschluss kam eine Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, "dass Sarrazin Thesen propagiert, die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar sind, und der Partei schweren Schaden zufügt." [8]

Ausgerechnet dieser Mann, dessen Äußerungen von vielen als rassistisch und sozialdarwinistisch aufgefasst wurden, wird vom aktuellen CDU-Vorsitzenden verteidigt und damit nachträglich rehabilitiert? Da muss man sich verwundert die Augen reiben. Der Christlich Demokratischen Union müsste Friedrich Merz eigentlich immer peinlicher werden, denn Christen glauben: "Vor Gott sind alle Menschen gleich und mit Würde versehen." Jedem Christdemokraten, der sich aufrichtig zum christlichen Menschenbild bekennt, müssten daher die populistischen Anwandlungen seines Vorsitzenden starke Bauchschmerzen bereiten. Die CDU steht nun am Scheideweg: Entweder sie folgt Merz und gleitet auf der populistischen Rutschbahn unaufhaltsam in Richtung AfD, oder sie bekennt sich klipp und klar zu den demokratischen Grundwerten und den eigenen christlichen Wertvorstellungen.

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[1] Tagesspiegel vom 23.10.2023
[2] oe24 vom 13.09.2010
[3] Spiegel vom 10.06.2010
[4] Süddeutsche vom 12.06.2010
[5] Süddeutsche vom 27.04.2011
[6] Stern vom 01.09.2010
[7] Spiegel vom 31.07.2020
[8] FAZ vom 17.12.2018