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19. Dezember 2023, von Michael Schöfer
Wir haben euch so satt


Das war mir von vornherein klar: Nach der ZDF-Doku "Die geheime Welt der Superreichen - Das Milliardenspiel" habe ich einer Freundin gesagt, dass man sich wohl weniger über den Inhalt der Doku, sondern vor allem über deren Ausstrahlung aufregen wird. Und genau so ist es gekommen.

Ein Aufreger darin war eine hohe Beamtin des Bundesfinanzministeriums, die auf einer Veranstaltung Steuerspartipps für Superreiche präsentiert haben soll. Angeblich, sagt zumindest die Regierung, sei dem aber gar nicht so gewesen, obgleich die Beamtin dort eingestandenermaßen ohne Genehmigung ihres Dienstherrn aufgetreten ist. Nun, das wird hoffentlich mithilfe des dienstrechtlichen Verfahrens aufgeklärt, sofern sich das Bundesfinanzministerium anschließend bei unangenehmen Ergebnissen nicht wie gewohnt auf den Datenschutz berufen wird. Kennen wir ja zur Genüge: Disziplinarverfahren sind nichts für die Öffentlichkeit.

Schon jetzt wird eifrig an Legenden gestrickt: Laut Süddeutscher Zeitung haben Teilnehmer einer Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages das Ganze als "Hexenjagd des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf eine verdiente Beamtin" bezeichnet. Das ist keine Überraschung, denn "in Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht" (Kurt Tucholsky). Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, empörte sich gegenüber der SZ: "'Bevor man Menschen auf diese Art und Weise fertigmacht, sollte man erst einmal den Sachverhalt klären.' (...) Bisher gebe es keinerlei Belege dafür, dass die Beamtin etwas Illegales getan habe." [1]

Doch das sind bloß Nebelkerzen. Erstens wurde der Beamtin vom ZDF gar nicht vorgeworfen, etwas Illegales getan zu haben. Steuersparmodelle sind im Gegensatz zur strafbaren Steuerhinterziehung keineswegs ungesetzlich, insofern darf man auch ganz legal auf sie hinweisen. Ob die Weitergabe dienstlich erworbenen Wissens gegen Vorschriften verstößt, müssen die Juristen klären. War jedenfalls keine Behauptung des ZDF. Wenn jedoch eine hohe Beamtin vom Bundesfinanzministerium auf einer Veranstaltung auftritt, bei der es genau darum geht (Steuerzahlungen möglichst geschickt zu vermeiden), darf sich der normale Steuerzahler zu Recht wundern. Für Letzteren gilt nämlich: Das Finanzamt ist kein Steuerberater.

Zweitens hat das ZDF, wie es die journalistischen Standards verlangen, das Bundesfinanzministerium vor der Sendung mehrfach um eine Stellungnahme gebeten, allerdings von dort keine Antwort erhalten. Insofern ist dem ZDF hier überhaupt nichts vorzuwerfen, die fehlende Sachverhaltsklärung muss sich allein das Ministerium von Christian Lindner vorwerfen lassen. Ohne die Ausstrahlung hätte das Ministerium darüber vermutlich großzügig den Mantel des Schweigens gehüllt.

Was ich in der Doku noch gelernt habe: Wenn ich einer guten Freundin 50.000 Euro schenke, zahlt diese für jeden Euro oberhalb des Freibetrags (20.000 €) 30 Prozent Schenkungssteuer. Bei einer Milliarde wären es sogar 50 Prozent. [2] Wenn Mathias Döpfner von Friede Springer Unternehmensanteile im Wert von einer Milliarde Euro geschenkt bekommt, zahlt dieser womöglich keinen einzigen Cent. Stichwort: Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG). Laienhaft ausgedrückt: Wenn jemand zu "arm" ist, um die durch den Übertrag von unternehmerischem Vermögen fällige Schenkungssteuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu entrichten, wird sie ihm unter bestimmten Voraussetzungen auch erlassen. Steuerrechtlich betrachtet ist in diesem Fall ein Milliardär eben nicht vermögend.

Leute, wenn ihr solche Gesetze beschließt, ist die Wut der Durchschnittsverdiener doch mehr als verständlich. Überspitzt formuliert bleibt der Eindruck zurück: Die komplizierten Steuergesetze sind für die Reichen gemacht, alle anderen müssen tatsächlich Steuern zahlen. Und wenn ihr dann auch noch die Durchschnitts- und Geringverdiener belastet, weil das Bundesverfassungsgericht sagt, dass die Schuldenbremse ernst zu nehmen ist, die Superreichen aber weiterhin von den - siehe Döpfner - kurios anmutenden Steuersparmodellen profitieren, solltet ihr euch nicht darüber wundern, dass wir von euch die Nase gestrichen voll haben. Durch krasse Ungerechtigkeiten kann eine Gesellschaft zugrunde gehen.

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[1] Süddeutsche vom 19.12.2023, Printausgabe, Seite 5
[2] sparkasse.de, So klappt es mit der Schenkung