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05. Januar 2024, von Michael Schöfer
Wo bleibt eigentlich China?


Die Freiheit der Handelswege ist für die globalisierte Weltwirtschaft lebenswichtig, nicht ohne Grund schicken deshalb viele - vor allem westliche - Staaten Kriegsschiffe ins Rote Meer, um die Angriffe der jemenitischen Huthis auf Handelsschiffe zu unterbinden. Durch die Meerenge Bab al-Mandab verläuft die wichtigste Route auf dem Seeweg zwischen Europa und Asien, sie wird jährlich von 19.000 Schiffen passiert, bis zu 15 Prozent des Welthandels schlängeln sich dort vorbei.

An der "Operation Prosperity Guardian" beteiligen sich überwiegend Kriegsschiffe der USA und Großbritanniens. Griechenland ist bereits mit einer Fregatte engagiert, Italien will ebenfalls eine Fregatte in das Seegebiet entsenden, ohne sich allerdings dem amerikanischen Oberkommando zu unterwerfen. Auch die französischen Kriegsschiffe bleiben unter nationalem Kommando. Deutschland und die Niederlande prüfen noch, ob und wie sie mitmachen. Sogar Indien will drei Zerstörer ins Arabische Meer schicken.

Was jedoch auffällt: China, das mittlerweile die größte Kriegsmarine der Welt besitzt, hält sich vornehm zurück. Warum eigentlich? Aus politischen Gründen, weil die Huthis mit dem Iran verbündet sind, der wiederum Russland im Ukraine-Krieg mit Waffen unterstützt? Dabei müsste die Volksrepublik ein genuines Interesse an der Offenhaltung der Seewege haben, schließlich exportierte bzw. importierte das Land 2022 Waren im Wert von insgesamt 6,3 Billionen US-Dollar, 13,4 Prozent davon im Austausch mit der Europäischen Union. [1] Höhere Kosten und längere Fahrtzeiten durch den Seeweg ums Kap der Guten Hoffnung herum dürften bestimmt auch bei der chinesischen Wirtschaft auf wenig Begeisterung stoßen.

Für ein Land mit dem Anspruch, schon jetzt eine Weltmacht zu sein, ist es im Grunde ein Armutszeugnis, dem Westen die alleinige Verantwortung aufzubürden und die ganze Arbeit machen zu lassen. Der Vorgang belegt einmal mehr, dass Peking erst einen Mentalitätswandel durchlaufen muss, um auf der internationalen Bühne eine konstruktive Rolle zu spielen - falls es das überhaupt will.

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[1] GTAI vom 24.08.2023