Home
| Archiv | Leserbriefe
| Impressum 06. November 2024, von Michael Schöfer Es kommen schwere Zeiten auf uns zu Zweifellos eine echte Zeitenwende: Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl gegen Kamala Harris gewonnen. Und das sogar überraschend deutlich. Zudem kann Trump wahrscheinlich durchregieren, weil die Republikaner auch die Mehrheit im Senat zurückerobert haben. Im Repräsentantenhaus liegt die GOP beim gegenwärtigen Auszählungsstand (6.11., 10:21 Uhr US-Ostküstenzeit) ebenfalls mit 20 Sitzen vor den Demokraten. Die Republikaner brauchen bloß noch 21 Sitze für die Mehrheit im House, die Demokraten müssten hingegen mit 41 fast die doppelte Anzahl erobern. Wird auch diese Kammer von den Republikanern erobert, fällt Donald Trump niemand mehr in den Arm. Nicht einmal die Gerichte, weil der Präsident laut dem Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs vom 1. Juli 2024 bei allen offiziellen Amtshandlungen absolute Immunität genießt. Was trennt die USA jetzt noch von einer Diktatur? Wenig, sehr wenig. Die Gewaltenteilung (checks and balances) ist faktisch ausgehebelt, wenn sich alle Institutionen fest in der Hand einer fanatisierten, ihrem Präsidenten ergeben Gefolgschaft leistenden Partei befinden. Donald Trump hat angekündigt, Millionen Migranten abzuschieben. Aber er will sich anscheinend auch an seinen Feinden rächen, darunter Journalisten und politische Kritiker. Die Presse zählt seiner Ansicht nach zu den "wirklichen Feinden des Volkes", demzufolge muss man sich große Sorgen um die Pressefreiheit machen. [1] "Wir werden die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und linksradikalen Gangster ausrotten, die wie Ungeziefer in den Grenzen unseres Landes leben, die lügen, stehlen und bei Wahlen schummeln und alles in ihrer Macht Stehende unternehmen werden - legal oder illegal - um Amerika zu zerstören und den amerikanischen Traum zu zerstören", kündigte Trump im Wahlkampf an. [2] Die Amerikaner hätten das unbedingt ernst nehmen sollen, haben sie aber nicht. Nun können wir lediglich abwarten, wie das Land mit einem Präsidenten zurechtkommt, der andere Menschen ausdrücklich "ausrotten" will. Angesichts des Charakters von Donald Trump sollte man wenig Hoffnung haben, dass er das alles nicht so gemeint hat. Diesem Trugschluss (es wird schon nicht so schlimm kommen) sind bereits die Deutschen im Jahr 1933 erlegen, denn es kam damals genauso schlimm wie von den Nazis vorher angekündigt. John Kelly, Trumps früherer Stabschef, warnte eindringlich: "Der republikanische Präsidentschaftskandidat sei ein Politiker, welcher 'der allgemeinen Definition von Faschisten' entspricht." [3] Und in knapp drei Monaten sitzt dieser Mann im Oval Office, er ist dann der mächtigste Politiker der Welt. Super Aussichten also. Für die notorisch uneinigen Europäer wird es nun ziemlich stürmisch. Orkanstärke, wohlgemerkt. Denn wir sind weder ökonomisch noch militärisch auf die Rolle vorbereitet, die wir jetzt eigentlich einnehmen müssten. Unter Umständen droht sogar der Zerfall der Europäischen Union, weil ihre Institutionen bloß für Schönwetterperioden geeignet sind. Demokratiezersetzende Figuren wie Viktor Orban sind nur schwer zur Räson zu bringen, die Anhänger der "illiberalen Demokratie" werden obendrein Rückenwind verspüren. Kurzum, es kommen schwere Zeiten auf uns zu. ----------
[1]
Focus-Online vom 28.10.2024
[2]
ZDF vom 14.11.2023
[3] ZDF vom 23.10.2024
|