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07. April 2024, von Michael Schöfer
So verspielt man Glaubwürdigkeit


Artikel 22 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 sagt klar und deutlich:

"Die Räumlichkeiten der Mission sind unverletzlich. Vertreter des Empfangsstaats dürfen sie nur mit Zustimmung des Missionschefs betreten. Der Empfangsstaat hat die besondere Pflicht, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Räumlichkeiten der Mission vor jedem Eindringen und jeder Beschädigung zu schützen und um zu verhindern, dass der Friede der Mission gestört oder ihre Würde beeinträchtigt wird. Die Räumlichkeiten der Mission, ihre Einrichtung und die sonstigen darin befindlichen Gegenstände sowie die Beförderungsmittel der Mission genießen Immunität von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung."

Die Stürmung der mexikanischen Botschaft in Ecuador durch die dortige Polizei war daher ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Das schreit geradezu nach einer Bekräftigung der regelbasierten internationalen Ordnung. Doch bis dato ist diesbezüglich auf der Website des Auswärtigen Amtes keine Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eingestellt. Auch zum mutmaßlich von Israel durchgeführten Bombenangriff auf die iranische Botschaft in Damaskus schweigt sie bislang beredet. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte zu Letzterem lediglich, "jeder bestätigte bewaffnete Angriff gegen eine Botschaft oder ein Konsulat wäre ein Grund zur Sorge". [1] Immerhin, man ist "besorgt".

Als 1979 iranische Studenten die amerikanische Botschaft in Teheran stürmten und das Botschaftspersonal als Geiseln nahmen, forderte der UN-Sicherheitsrat, die im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und im Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen eingegangen Verpflichtungen hinsichtlich der Unverletzlichkeit des diplomatischen Personals sowie des Gebiets ihrer Vertretung einzuhalten (UN-Resolution 457 vom 4. Dezember 1979). Die Empörung im Westen war natürlich entsprechend groß.

Als die Nato 1999 - angeblich versehentlich - die chinesische Botschaft in Belgrad bombardierte, entschuldigte sich US-Präsident Bill Clinton und die USA überwiesen China etliche Millionen Dollar als "freiwillige Reparationszahlung". Ob freiwillig oder nicht, jedenfalls war damals unbestritten, dass man Botschaften nicht bombardieren darf. Doch im Fall der iranischen Botschaft in Damaskus lehnen die USA, Großbritannien und Frankreich eine Erklärung des UN-Sicherheitsrats ab. Es sei noch unbestätigt, ob "es sich bei dem getroffenen Gebäude um eine diplomatische Einrichtung gehandelt habe". [2] Auf den Nachrichtenseiten der Medien ist allerdings von der Konsularabteilung im Nebengebäude der iranischen Botschaft die Rede. [3]

Wer hinter alldem Doppelstandards vermutet, liegt wahrscheinlich nicht ganz falsch. Man muss kein Freund des blutrünstigen Regimes in Teheran sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass der Westen so abermals Glaubwürdigkeit verspielt. Das Völkerrecht sollte sich der politischen Opportunität entziehen, denn es gilt für alle gleichermaßen. Falls irgendjemand westliche Botschaften angreift, erwarten wir schließlich auch diplomatische Unterstützung. Das Völkerrecht ist mittlerweile löchrig wie ein Schweizer Käse, bedauerlicherweise tragen wir zu der schlimmen Entwicklung einen erklecklichen Anteil bei.

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[1] MarketScreener vom 04.04.2024
[2] MarketScreener vom 04.04.2024, a.a.O.
[3] tagesschau.de vom 02.04.2024