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13. April 2024, von Michael Schöfer
Genau hinschauen und sorgfältig differenzieren

Man soll die gestiegene Anzahl der Straftaten weder verharmlosen noch überdramatisieren. Dass es 2023 laut der gerade vorgelegten Kriminalstatistik in Deutschland wieder mehr Straftaten gab, ist zwar nicht schön, aber auch kein Grund zur Panik. BILD bezeichnet die Zahlen natürlich wie gewohnt reißerisch als "schockierend", doch von der Springer-Presse erwartet man auch nichts anderes. [1]

Bei der Kriminalität ist allerdings nicht die absolute Anzahl der Straftaten ausschlaggebend, sondern die Häufigkeitszahl: die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten je 100.000 Einwohner. Relevant sind darüber hinaus etwa auch Alter und Schichtzugehörigkeit der Tatverdächtigen. Junge begehen mehr Straftaten als Ältere, Männer mehr als Frauen, Arme begehen öfter Diebstähle als Besserverdienende. Letztere wiederum sind naturgemäß bei der sogenannten Weiße-Kragen-Kriminalität (Betrug, Steuerhinterziehung, Korruption, Geldwäsche etc.) überproportional vertreten. Doch im Gegensatz zum Ladendiebstahl findet Wirtschaftskriminalität meist im Verborgenen statt und ist deshalb viel schwerer aufzuklären, dennoch ist der Schaden für die Gesellschaft nicht selten immens.

Wenn man die Einwohnerzahl Deutschlands berücksichtigt, relativiert sich der Anstieg der Straftaten ein Stück weit. [2]



Wie wir anhand der Grafik auf den ersten Blick sehen, befindet sich die Häufigkeitszahl trotz des jüngsten Anstiegs nach wie vor unter dem langjährigen Niveau. Was keineswegs heißen soll, den deutlichen Anstieg der Gewaltkriminalität [3] (absolut und relativ) nicht trotzdem besorgniserregend zu finden.



Oft weicht aufgrund von Presseberichten die gefühlte Kriminalität von der tatsächlich ab. Deshalb empfiehlt es sich, bei jedem einzelnen Delikt genau hinzuschauen und sorgfältig zu differenzieren. Pauschale Aussagen sind jedenfalls unangebracht und vermitteln häufig einen falschen Eindruck.

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[1] BILD vom 09.04.2024
[2] BKA, PKS 2023 - Zeitreihen, Excel-Datei mit 1,3 MB
[3] Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschl. mit Todesfolge, Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, Gefährliche und schwere Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien, Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, Angriff auf den Luft- und Seeverkehr