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26. April 2024, von Michael Schöfer
Der Anfang vom Ende der amerikanischen Demokratie?


Das ohnehin stark angekratzte Image des Supreme Court der USA könnte sich dramatisch verschlechtern, sollte das von konservativen Richtern beherrschte Gericht amerikanischen Präsidenten im Allgemeinen und Donald Trump im Besonderen eine umfassende Immunität für sämtliche Amtshandlungen zubilligen. Bei der Anhörung vor dem Supreme Court wurde klar, welche Richtung das nehmen könnte. Richterin Sonia Sotomayor fragte Trump-Anwalt John Sauer: "Was ist, wenn der Präsident entscheidet, dass sein Rivale korrupt ist, und er dem Militär oder jemand anderem befiehlt, ihn zu ermorden? Wäre das im Rahmen seiner offiziellen Amtshandlungen und er wäre immun vor Strafverfolgung?" Ja, unter Umständen, lautete Sauers Antwort. [1] Für jemanden wie Donald Trump, der über Blutbäder schwadroniert, Andersdenkende als Ungeziefer ausrotten will und unverblümt ankündigt, sich an seinen Widersachern rächen zu wollen, wäre die höchstrichterlich gewährte Immunität ein Freibrief für bereits begangene und alle künftigen Verbrechen. Und sie wäre das Ende der Demokratie in den Vereinigten Staaten, die Schande für den Supreme Court somit unermesslich.

Hätten amerikanische Präsidenten wirklich eine umfassende Immunität, könnte selbstverständlich auch Joe Biden seinen Gegenkandidaten verhaften lassen, sich über gegenteilige Gerichtsentscheidungen hinwegsetzen oder die Richter des Obersten Gerichtshofs gleich mit einsperren. Das Problem namens Donald Trump hätte sich damit für alle Zeit erledigt. Und die für Regierungen so lästige Gewaltenteilung ebenfalls. Das dürfte den konservativen Richtern des Supreme Court zwar kaum schmecken, aber wenn schon umfassende Immunität, dann konsequenterweise für alle Präsidenten, also auch den amtierenden. Präsidentschafts- und Kongresswahlen? Entweder à la Putin fälschen oder gleich ganz absagen. Geht nicht? Doch, geht! Stichwort: umfassende Immunität. Ist alles höchstrichterlich abgesegnet. Pressezensur im "Land der Freien"? Arbeitslager für Oppositionelle? Handlanger für solche Schandtaten finden sich erfahrungsgemäß genug, jedes autoritäre System wurde bislang durch eine große Anzahl von Opportunisten und Sadisten gestützt. Warum sollte das in den USA anders sein?

Würde Joe Biden im Gegensatz zu Donald Trump aber natürlich nie tun, weil er ein überzeugter Demokrat ist, was man allerdings vom New Yorker Psychopathen (die Schriftstellerin Erica Jong über D.T.) nicht behaupten kann. Verfassungen und Gesetze existieren, damit sich keiner über die für alle verbindlichen Regeln hinwegsetzt. Genau das ist ihr Sinn. Schranken im Umgang der Starken mit den Schwachen, Schutz vor dem Machtmissbrauch der Mächtigen. Garantie der Menschenrechte, rechtsstaatliches Verhalten der Behörden wie faire Prozesse und die Unschuldsvermutung. Keiner steht über dem Gesetz, nicht einmal der Präsident. Und wenn er es trotzdem tut: Lock him up! Wäre es anders, wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet. Sollte der Supreme Court Donald Trump tatsächlich umfassende Immunität zubilligen, wird das Urteil bestimmt als Anfang vom Ende der amerikanischen Demokratie in die Geschichte eingehen. Etwas, worüber man noch in vielen hundert Jahren nur mit Abscheu sprechen wird. Neun Richterinnen und Richter haben es in der Hand.

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[1] tagesschau.de vom 26.04.2024